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Chef Ö BfV-Vize Selen und Iranerin Felor Badenberg Faschisten im Geschäft mit VÖLKERMORD an Deutsc

  • Autorenbild: Ricarda schönfischstein
    Ricarda schönfischstein
  • 7. Feb. 2023
  • 34 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. März 2023



Fotografiere deine traditionelle Kultur, hilf Wikipedia und gewinne! Rassismus Zur Navigation springenZur Suche springen Eine für das 19. Jahrhundert typische schematische Einteilung von Menschen in „Rassen“ (Amerikanische Ureinwohner nach Karl Ernst von Baer, 1862) Rassismus ist eine Ideologie, nach der Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale oder negativer Fremdzuschreibungen, die übertrieben, naturalisiert oder stereotypisiert werden, als „Rasse“, „Volk“ oder „Ethniekategorisiert und ausgegrenzt werden. Bis ins 20. Jahrhundert wurden dazu vor allem aufgrund biologischer Merkmale (Hautfarbe, Formen von Gesicht und Körper usw.) angebliche „Menschenrassen“ in heute obsoleten Rassentheorien konstruiert und damit Sklaverei, Assimilationspolitik, Ethno- oder Genozid gerechtfertigt. Rassisten betrachten Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, meist als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig betrachtet werden (Chauvinismus). Oft möchten sie einen normalen Verkehr der Gruppen untereinander erschweren (Segregation) und dabei insbesondere die Vermischung durch familiäre Verbindungen und Zeugung von Nachkommenschaft verhindern. Seit der Ächtung von Rassismus durch die UN nach dem Zweiten Weltkrieg tritt vermehrt sogenannter Kulturrassismus (siehe Rassismus ohne Rassen und Ethnopluralismus) auf, beispielsweise um Grenzpolitik zu rechtfertigen oder Flüchtlinge zu diskriminieren. Rassismus soll den Zugang zu Ressourcen (z. B. Gelder, Rohstoffe, Boden), Orten (z. B. Nationalstaaten, bestimmte Stadtviertel) und Positionen (z. B. politische Posten oder auch Positionen in Betrieben) erschweren und dient zur Legitimation von Machtausübung, Verletzung der allgemeinen Menschenrechte, Gewalt oder Diskriminierung. Der Begriff Rassismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der kritischen Auseinandersetzung mit auf Rassentheorien basierenden politischen Konzepten. In anthropologischen Theorien über den Zusammenhang von Kultur und rassischer Beschaffenheit wurde der Begriff der Rasse mit dem ethnologisch-soziologischen Begriff „Volk“ vermengt, z. B. von der völkischen Bewegung. Rassismus zielt dabei nicht auf subjektiv wahrgenommene Eigenschaften einer Gruppe, sondern stellt deren Gleichrangigkeit und im Extremfall deren Existenzberechtigung in Frage. Rassistische Diskriminierung versucht typischerweise, auf projizierte genetische und davon abgeleitete persönliche Unterschiede zu verweisen. Unabhängig von seiner Herkunft oder Nationalität kann jeder Mensch von Rassismus betroffen sein. Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung unterscheidet nicht zwischen rassistischer und ethnischer Diskriminierung.[1] Ein erweiterter Rassismusbegriff kann auch eine Vielzahl anderer Kategorien einbeziehen. Menschen mit rassistischen Vorurteilen diskriminieren andere aufgrund solcher Zugehörigkeit; institutioneller Rassismus verweigert bestimmten Gruppen Vorteile und Leistungen oder privilegiert andere. Rassistische Theorien und Argumentationsmuster dienen der Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen und der Mobilisierung von Menschen für politische Ziele.[2] Die Folgen von Rassismus reichen von Vorurteilen und Diskriminierung über Rassentrennung, Sklaverei und Pogrome bis zu sogenannten „ethnischen Säuberungen“ und Völkermord. Biologisch lässt sich eine Unterteilung der rezenten Art Homo sapiens in „Rassen“ beziehungsweise Unterarten nicht rechtfertigen. Zur Untersuchung bestimmter geographisch voneinander abweichender Merkmale des Menschen werden in der Humanbiologie stattdessen einzelne Populationen abgegrenzt, die nur auf das untersuchte Merkmal bezogen sind oder im Vorfeld willkürlich vorgenommen werden. Auch wenn daraus Erkenntnisse über die Abstammungsgeschichte des Menschen gewonnen werden und der Laie scheinbare Ähnlichkeiten zu Rassekonzepten zu erkennen glaubt, sind sie weder für taxonomische Zwecke geeignet noch belegen sie die biosystematische Unterteilung des Menschen in Untergruppen. Der Begriff des Rassismus überlappt mit dem der Fremdenfeindlichkeit und lässt sich oft nur ungenau von diesem unterscheiden. Teile der Sozialwissenschaft unterscheiden zwischen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Inhaltsverzeichnis

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------01.10.195307.07.1954Karl Wahle08.07.195429.03.1962Wilhelm TegethoffIm Amt verstorben196430.09.1971Valentin Porz01.10.19711975Helmut Botschen01.05.19751988Hans Wilhelm Fritsch19881993Michael KnieselWechsel als Staatsrat nach Bremen199431.06.2002Dierk Henning Schnitzler01.07.200230.09.2011Wolfgang AlbersWechsel als Polizeipräsident nach Köln14.11.201131.03.2020Ursula Brohl-Sowaseit 01.04.2020Frank Hoever[2]---------------

  • 1Allgemeines

  • 2Begriff

    • 2.1Begriffsgeschichte

    • 2.2Gegenstand und Definition

      • 2.2.1Begriffliche Differenzierung

      • 2.2.2Rassismusdefinition nach Albert Memmi

        • 2.2.2.1Differenz

        • 2.2.2.2Wertung

        • 2.2.2.3Verallgemeinerung

        • 2.2.2.4Funktion


  • 2.2.3Rassismusdefinition nach Fredrickson

  • 2.2.4Individualität und Menschenrechte

  • 2.2.5Rassismusdefinition nach Philomena Essed

  • 2.2.6Rassismusdefinition nach Robert Miles

  • 2.2.7Rassismusdefinition nach Mark Terkessidis


  • 2.3Kritik an der Verwendung des Begriffs


  • 3Geschichtliche Erscheinungen

    • 3.1Altertum

      • 3.1.1Antikes Griechenland und Rom

        • 3.1.1.1Proto-Rassismus

        • 3.1.1.2Klima-Theorie

        • 3.1.1.3Genotypen und Charakter


  • 3.1.2Indien, China und Japan


  • 3.2Mittelalter

  • 3.3Neuzeit bis zum Zeitalter des Imperialismus

    • 3.3.1Reconquista und Conquista

    • 3.3.2Amerika

      • 3.3.2.1Sklaverei

      • 3.3.2.2Weiße Vorherrschaft



  • 3.4Imperialismus

    • 3.4.1Yamato-Rasse in Japan

    • 3.4.2Osmanisches Reich

    • 3.4.3Deutschland

      • 3.4.3.1Deutscher Bund (1815–1870)

      • 3.4.3.2Kaiserreich (1871–1918)

      • 3.4.3.3Weimarer Republik (1918–1933)

      • 3.4.3.4Nationalsozialismus (1933–1945)

      • 3.4.3.5Westliche Besatzungszonen und Bundesrepublik Deutschland (seit 1945)


  • 3.4.4Österreich

  • 3.4.5Südkorea



  • 4Allgemeine gegenwärtige Erscheinungen

  • 5Ursachen rassistischen Denkens

  • 6Prävention und Bekämpfung von Rassismus

    • 6.1Internationaler Tag und die Wochen gegen Rassismus

    • 6.2Anti-Rassismus-Training

    • 6.3Ausstellungen


  • 7Siehe auch

  • 8Literatur

    • 8.1Monographien und Sammelbände

    • 8.2Zur Geschichte des Rassismus

    • 8.3Aufsätze


  • 9Weblinks

    • 9.1Vereinte Nationen

    • 9.2Europarat

    • 9.3Deutschland

    • 9.4Österreich

    • 9.5Schweiz

    • 9.6Liechtenstein


  • 10Einzelnachweise und Anmerkungen

Allgemeines Rassismus, im strengen Sinne des Wortes, erklärt soziale Phänomene anhand pseudowissenschaftlicher Analogieschlüsse aus der Biologie. Als Reaktion auf die egalitären Universalitätsansprüche der Aufklärung versucht er eine scheinbar unantastbare Rechtfertigung sozialer Ungleichheit durch den Bezug auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Kultur, sozialer Status, Begabung und Charakter, Verhalten etc. gelten als durch die erbbiologische Ausstattung determiniert. Eine vermeintlich natur- oder gottgegebene, hierarchisch-autoritäre Herrschaftsordnung und die daraus gefolgerten Handlungszwänge dienen der Rechtfertigung von Diskriminierung, Ausgrenzung, Unterdrückung, Verfolgung oder Vernichtung von Individuen und Gruppen – sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene. Unterschiede in Hautfarbe, Sprache, Religion und Kultur stabilisieren die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Gruppen und sollen die Vorrangstellung des Eigenen vor dem Fremden sichern. Der zivilisatorische Fortschritt der Moderne wird als dekadente, einer natürlichen Ungleichheit der Menschen widersprechende Verfallsgeschichte interpretiert.[3] Der Historiker Imanuel Geiss sieht in den historischen Grundlagen des indischen Kastenwesens die „älteste Form quasi-rassistischer Strukturen“.[4] Laut Geiss nahmen sie ihren Anfang spätestens mit der Eroberung Nordindiens durch die Arier gegen 1500 v. Chr.; „Hellhäutige Eroberer pressten unterworfene Dunkelhäutige als ‚Sklaven‘ in die Apartheid einer Rassen-Kasten-Gesellschaft, die sich auf Dauer in der ursprünglichen Form nicht halten ließ, aber zur extremen Fragmentierung und Abschottung der Kasten als unübersteigbare Lebens-, Berufs-, Wohn-, Essens- und Ehegemeinschaften führte“ (ebenda).[4] Im antiken Griechenland wurden die Barbaren zwar nicht als „rassisch minderwertig“, sondern „nur“ als kulturell, bzw. zivilisatorisch Zurückgebliebene betrachtet,[5] aber auch hier sprechen einige Historiker von prototypischem oder auch „Proto-Rassismus“. Der „moderne“ Rassismus entstand im 14. und 15. Jahrhundert und wurde ursprünglich eher religiös begründet (Fredrickson, S. 14).[6] Ab 1492, nach der Reconquista, der Rückeroberung Andalusiens durch die Spanier, wurden Juden und Muslime als „fremde Eindringlinge“ oder schlicht als „marranos“ (Schweine) verfolgt und aus Spanien vertrieben. Zwar existierte die formale Möglichkeit der (mehr oder weniger freiwilligen) Taufe, um Vertreibung oder Tod zu entrinnen, jedoch wurde angenommen bzw. unterstellt, dass die Conversos (konvertierte Juden) oder Moriscos (konvertierte Mauren) weiterhin heimlich ihren Glauben ausübten,[7] wodurch den Konvertiten faktisch die Möglichkeit genommen wurde, vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Das „Jüdische“ oder das „Islamische“, aber auch das „Christliche“, wurde zum inneren Wesen, zur „Essenz“ des Menschen erklärt und die Religionszugehörigkeit so zur unüberwindlichen Schranke. Die Vorstellung, die Taufe oder Konversion reiche nicht, um den Makel zu tilgen, essentialisiert oder naturalisiert die Religion und gilt vielen Historikern daher als Geburt des modernen Rassismus. Die Vorstellung, ein Jude oder Moslem behielte auch dann sein jüdisches oder muslimisches „Wesen“, wenn er seine Religion geändert hat – es liege ihm gewissermaßen im Blute –, ist im Kern rassistisch. „Die alte europäische Überzeugung, dass Kinder dasselbe ‚Blut‘ haben wie ihre Eltern, war eher eine Metapher und ein Mythos als ein empirischer wissenschaftlicher Befund, aber sie sanktionierte eine Art genealogischen Determinismus, der in Rassismus umschlägt, wenn er auf ganze ethnische Gruppen angewandt wird“ (Fredrickson, S. 15).[6] Die Estatutos de limpieza de sangre („Statuten von der Reinheit des Blutes“), erstmals niedergelegt 1449 für den Rat der Stadt Toledo, werden in historischen Überblicksdarstellungen als Vorläufer der Nürnberger Rassegesetze wahrgenommen. Der Historiker Max Sebastián Hering Torres weist in seiner Darstellung der entsprechenden Verordnungen darauf hin, dass der rassistische Ansatz der Limpieza außer Frage steht und Elemente dieses Konzepts an Passagen der Nürnberger Rassegesetze erinnern, dass aber das dort formulierte Blutreinheitskonzept den Nationalsozialisten unbekannt war. Die eigene Qualität der NS-Rassengesetze lasse eine lineare Interpretation vom vormodernen Antijudaismus bis hin zum NS-Antisemitismus und Holocaust von Millionen Juden in Konzentrationslagern nicht zu.[8][9][10] Die rassistische Doktrin von der „Reinheit des Blutes“ stigmatisierte ein ganze ethnische Gruppe aufgrund von Kriterien, an denen die Betroffenen weder durch Bekehrung noch durch Assimilation etwas ändern konnten.[11] Aus der christlichen Glaubensgemeinschaft, der eigentlich jeder angehört, der durch die Taufe zu einem Teil der Gemeinschaft geworden ist, war eine Abstammungsgemeinschaft, ein Rassenäquivalent, geworden – ein Vorgang, in dem sich fast 500 Jahre vor dem Nationalsozialismus das rassistische Ideologem vom „Volkskörper“ mit den damit einhergehenden Vorstellungen, beispielsweise von der „Unreinheit des jüdischen Blutes“, ankündigt. Dieser mittelalterliche Rassismus blieb jedoch zunächst eingebunden in den Zusammenhang mythischer und religiöser Vorstellungen, es fehlte der Bezug auf eine naturwissenschaftlich begründete Biologie. Erst als religiöse Gewissheiten in Frage gestellt und die Trennung zwischen Körper und Seele zugunsten eines materialistisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes aufgehoben wurden, waren die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen für einen Rassismus neuzeitlicher Prägung gegeben.[12] „Der Rassismus konnte sich in dem Maße zu einer komplexen Bewusstseinsform entwickeln, wie sich rassistische Bewusstseinselemente aus den theologischen Bindungen des Mittelalters „emanzipieren“ konnten.“[13] Pseudowissenschaftliche Rassentheorien sind gewissermaßen ein „Abfallprodukt der Aufklärung“,[14] deren scheinbar naturwissenschaftliche Argumentation auch und gerade von großen Aufklärern rezipiert wurde. „Mit ihrem leidenschaftlichen, manchmal an Fanatismus grenzenden Bestreben, die Welt ‚logisch‘ zu ordnen, mit ihrer Manie, alles zu klassifizieren, haben die Philosophen und Gelehrten der Aufklärung dazu beigetragen, jahrhundertealten rassistischen Vorstellungen eine ideologische Kohärenz zu geben, die sie für jeden anziehend machte, der zu abstraktem Denken neigte.“[15] So schrieb Voltaire 1755: „Die Rasse der Neger ist eine von der unsrigen völlig verschiedene Menschenart, wie die der Spaniels sich von der der Windhunde unterscheidet […] Man kann sagen, dass ihre Intelligenz nicht einfach anders geartet ist als die unsrige, sie ist ihr weit unterlegen.“[16][17] Ursprünglich metaphysisch und religiös begründet, erhielt der Rassismus durch die Aufklärung ein weiteres, ein säkulares Fundament. Teilte 1666 der Leydener Professor Georgius Hornius die Menschheit in Japhetiten (Weiße), Semiten (Gelbe) und Hamiten (Schwarze), weil er gemäß der biblischen Überlieferung glaubte, die gesamte Menschheit stamme von den drei Söhnen Noachs, Japhet, Sem und Ham ab, so stellte keine 20 Jahre später, 1684, der französische Gelehrte François Bernier eine Rassensystematik vor, in der er die Menschen anhand äußerer Merkmale wie Hautfarbe, Statur und Gesichtsform in vier bis fünf ungleich entwickelte Rassen kategorisierte. Lastete auf den Schwarzen zuvor der Fluch des Ham[18] und auf den Juden die kollektive „Schuld des Gottesmordes“, so wurden nun »wissenschaftliche« Gründe angeführt, die deren »rassische« Andersartigkeit oder Minderwertigkeit »beweisen« sollten. Naturforscher wie Carl von Linné, Georges-Louis Leclerc de Buffon, Johann Friedrich Blumenbach, Immanuel Kant und viele andere katalogisierten und klassifizierten Tier- und Pflanzenreich, aber auch die damals bekannte Menschheit und schufen so die Grundlagen der „Naturgeschichte des Menschen“, der Anthropologie. Doch war deren Arbeit von Anfang an durch überlieferte Mythen und Vorurteile belastet. Besonders die von der mittelalterlichen Theologie überlieferte und in die säkulare neuzeitliche Wissenschaft übernommene Scala Naturae, die »Stufenleiter der Wesen«, spielte dabei eine gewichtige Rolle. Diese Vorstellung ordnete allem Leben einen festen Platz in einer Hierarchie »niederer« und »höherer« Wesen zu. Sie trug einerseits zur Bildung von Theorien über Evolution und Höherentwicklung bei, führte jedoch andererseits, übertragen auf den Menschen, zur Unterscheidung älterer und jüngerer »Rassenschichten«, die mit »primitiv« und »fortschrittlich« gleichgesetzt wurden.[19] So wurde die Gattung Homo 1758 von Carl von Linné in der 10. Auflage von Systema Naturae eingeführt.[20] Schon zuvor hatte er vier räumlich getrennt lebende Varianten des anatomisch modernen Menschen anhand ihrer Hautfarbe unterschieden, nun aber erweiterte er die Charakterisierung dieser vier geografischen Varietäten des Menschen um die Merkmale Temperament und Körperhaltung: Die Europäer unterschieden sich ihm zufolge von den anderen menschlichen Varietäten durch die Merkmale weiß, sanguinisch, muskulös („albus, sanguineus, torosus“), die Amerikaner durch die Merkmale rot, cholerisch, aufrecht („rufus, cholericus, rectus“), die Asiaten durch die Merkmale gelb, melancholisch, steif („luridus, melancholicus, rigidus“) und die Afrikaner durch die Merkmale schwarz, phlegmatisch, schlaff („niger, phlegmaticus, laxus“). „Hätten sich die Anthropologen darauf beschränkt, die Menschengruppen nach ihren physischen Merkmalen zu gliedern und daraus keine weiteren Schlüsse zu ziehen, wäre ihre Arbeit so harmlos wie die des Botanikers oder Zoologen und lediglich deren Fortsetzung gewesen. Doch stellte sich schon gleich zu Beginn heraus, daß diejenigen, die die Klassifikationen vornahmen, sich das Recht anmaßten, über die Eigenschaften der Menschengruppen, die sie definierten, zu Gericht zu sitzen: indem sie von den physischen Merkmalen Extrapolationen auf geistige oder moralische vornahmen, stellten sie Hierarchien von Rassen auf.“[21] „Was immer Linné, Blumenbach und andere Ethnologen des 18. Jahrhunderts beabsichtigt hatten – sie waren jedenfalls die Wegbereiter für einen säkularen beziehungsweise „wissenschaftlichen“ Rassismus“ (Fredrickson, S. 59).[6] Durch die Wertung phänotypischer Merkmale anhand ästhetischer Kriterien sowie ihrer Verknüpfung mit geistigen, charakterlichen oder kulturellen Fähigkeiten bereiteten die im 18. Jahrhundert ausgearbeiteten Rassentypologien den Boden für den voll entfalteten biologischen Rassismus des 19. und 20. Jahrhunderts (vgl. Fredrickson, S. 61–63).[6] Joseph Arthur Comte de Gobineau, den Poliakov als den „großen Herold biologisch gefärbten Rassismus“ bezeichnet, gilt mit seinem vierbändigen Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen als Erfinder der arischen Herrenrasse und Begründer der modernen Rassenlehre bzw. als theoretischer Vordenker des modernen Rassismus.[22] Den Niedergang seines Standes erklärte der französische Adlige als Folge der rassischen Degeneration. Zudem prophezeite er, dass die Vermischung des Blutes unterschiedlicher Rassen unweigerlich zum Aussterben der Menschheit führe.[23] Im 20. Jahrhundert haben sich in vielen Ländern ausgeprägte Formen des Rassismus herausgebildet, die zum Teil zu offiziellen Ideologien der jeweiligen Staaten wurden – Beispiele sind:

  • Die Jim-Crow-Gesetze, die Zeit der Rassendiskriminierung in den USA, die zwischen 1890 und 1960 ihren Höhepunkt erreichte

  • die Rassengesetze der Nationalsozialisten in Deutschland und in anderen europäischen Staaten zwischen 1933 und 1945

  • das Apartheidsregime in Südafrika, das nach 1948 seine extremste Entwicklung nahm

  • die Politik der australischen Regierung gegenüber den Aborigines

Seit der UNESCO-Deklaration gegen den „Rasse“-Begriff[24] auf der UNESCO-Konferenz Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung im Jahre 1995 im österreichischen Stadtschlaining wird nicht nur jede biologische, sondern auch jede soziologische Ableitung rasseähnlicher Kategorien geächtet. Diese Ächtung wird wie folgt begründet:[25]

  • Kriterien, anhand derer Rassen definiert werden, seien beliebig wählbar.

  • Die genetischen Unterschiede zwischen Menschen innerhalb einer „Rasse“ seien im Durchschnitt quantitativ größer als die genetischen Unterschiede zwischen verschiedenen „Rassen“.

  • Es bestehe kein Zusammenhang zwischen ausgeprägten Körpermerkmalen wie der Hautfarbe und anderen Eigenschaften wie Charakter oder Intelligenz.

Der bedeutende italienische Populationsgenetiker Cavalli-Sforza, Professor an der Stanford University in Kalifornien, kommt in seinem monumentalen Werk „The History and Geography of Human Genes“ zum Ergebnis, dass es keine wissenschaftliche Basis für die Unterscheidung von Menschenrassen gibt. Die Einteilung der Menschheit in taxonomische Untergruppen sei im Kern willkürlich und nicht mittels statistischer Methoden reproduzierbar. Die geringen genetischen Unterschiede, die zwischen bestimmten Populationen überhaupt nachweisbar seien, sind aufgrund des geringen evolutionären Alters der modernen Menschheit sehr gering und zudem vermutlich durch Wanderungen und anschließende Vermischung bis fast zur Unkenntlichkeit verwischt. Die optisch auffälligen Unterschiede, etwa der Hautfarbe, korrelieren zudem überhaupt nicht mit diesen genetisch definierten Populations-Clustern. Keine Population besitzt eigene Gene, und selbst eigene Allele sind bedeutungslos, wesentliche Unterschiede bestehen nur in deren Frequenz. Je nach gewähltem genetischen Marker sind die genetischen Cluster zudem verschieden umgrenzt und nicht stabil.[26] Der 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Im Jahr 2018 stand dort die Förderung von Toleranz, Inklusion und Respekt für Diversität im Vordergrund.[27] UN-Sonderberichterstatter für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist E. Tendayi Achiume. Begriff Rassismus als soziales und psychisches Phänomen existiert unabhängig von Rassentheorien,[28] als rassistisch zu beschreibende Gruppenkonflikte lassen sich bis in die frühe Menschheitsgeschichte nachweisen.[4] Rassismus als systematisches Lehrgebäude dagegen entwickelte sich seit dem ausgehenden 18. Jh. in Europa und der angelsächsischen Welt.[3] Begriffsgeschichte Der Begriff „Rassismus“ tauchte erst auf, als am Rassenbegriff oder zumindest an einigen seiner Verwendungen Zweifel aufkamen. Er entstand im frühen 20. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit völkischen Theorien. In der Endung ‚-ismus‘ sollte sich die Auffassung von Historikern und anderen Autoren niederschlagen, „dass es sich dabei um fragwürdige Ansichten und Überzeugungen handele, nicht um unbestreitbare Naturtatsachen“ (Fredrickson, S. 159).[6] Die Rassisten selbst hingegen verstanden sich positiv als Vertreter einer „Rassenkunde“ oder „Rassenlehre“ und lehnten infolgedessen «Rassismus» zur Umschreibung ihrer Ansichten ab (Geiss, S. 17 und 341).[4] Meyers Lexikon definierte 1942 Rassismus folgendermaßen: Rassismus, urspr. Schlagwort des demokr.-jüd. Weltkampfes gegen die völkischen Erneuerungsbewegungen und deren Ideen u. Maßnahmen, ihre Völker durch Rassenpflege zu sichern und das rassisch wie völkisch und politisch-wirtschaftlich zerstörende Judentum sowie anderweitiges Eindringen fremden Blutes abzuwehren und auszuschlagen, als inhuman und ihre Träger als ‚Rassisten‘ zu verleumden.“[29] Pionierarbeit in vielerlei Hinsicht leistete Théophile Simar. Sein 1922 erschienenes Werk Étude critique sur la formation de la doctrine des races au XVIIIe siècle et son expansion au XIXe siècle gilt als das erste, in dem die Begriffe „Rassismus“ und „rassistisch“ Anwendung fanden. Darin setzte er sich äußerst kritisch mit der These der germanischen bzw. teutonischen Überlegenheit über die anderen europäischen – besonders die romanischen – Völker auseinander und kam dabei zu dem Schluss, dass derartige Konzepte wissenschaftlich nicht stichhaltig seien und ausschließlich politischen Zwecken dienen (Fredrickson, S. 161–162).[6] Im Jahre 1935 kritisierten Julian Huxley und Alfred C. Haddon in ihrem Buch We Europeans: A survey of Racial problems, dass es für die Idee verschiedener, voneinander abgegrenzter Menschenrassen keinerlei wissenschaftliche Beweise gebe. Klassifikationen anhand genetischer oder somatischer Merkmale und darauf basierende Bewertungen sowie jede Form von „Rassenbiologie“ lehnten sie als pseudowissenschaftlich ab. Sie forderten daher, das Wort Rasse aus dem wissenschaftlichen Vokabular zu streichen und durch die Bezeichnung „ethnische Gruppe“ zu ersetzen. Die Rassentheorien der Nazis bezeichneten sie als „Glaubensbekenntnis eines leidenschaftlichen Rassismus“. „Der Rassismus ist ein Mythos und ein gefährlicher dazu. Er ist ein Deckmantel für selbstsüchtige ökonomische Ziele, die in ihrer unverhüllten Nacktheit hässlich genug aussehen würden.“ Die biologische Anordnung der europäischen Menschentypen sei ein subjektiver Vorgang und der Mythos des Rassismus ein Versuch, den Nationalismus zu rechtfertigen.[30] Jacques Barzun klassifizierte in seinem richtungsweisenden Werk Race: a Study in Superstition von 1937 den „Rassengedanken“ (racialism)[31] als modernen Aberglauben und eine Form irregeleiteten Denkens.[32] Rasse, so erklärte er, „war in Deutschland ein Mittel, um dem deutschen Volk nach der nationalen Erniedrigung von Versailles und danach ein Gefühl der Selbstachtung zurückzugeben.“ Er beschreibt ferner, wie auch schon früher und an anderen Orten Rassismus dazu benutzt wurde, um dem «Nationalen» Aufschwung zu verleihen (vgl. Fredrickson, S. 167).[6] Bereits im ersten Kapitel wies er darauf hin, dass nicht nur die deutsche Einstellung gegenüber den Juden rassistisch sei, sondern ebenso die Annahme der «weißen Überlegenheit gegenüber den Schwarzen», die Furcht vor der asiatischen „Gelben Gefahr“ oder die Überzeugung, Amerika müsse die angelsächsische Rasse davor beschützen, durch südeuropäisches, jüdisches oder das „Blut der Neger“ verunreinigt zu werden. Seine umfassende Analyse der rassistischen Ideenwelt seiner Zeit beinhaltete u. a.:

  • die rassische Umdeutung der Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich zu einer Auseinandersetzung zwischen Ariern und Kelten;

  • die Zurückführung des Siegeszuges des Sozialismus auf eine jüdische Verschwörung;

  • die Behauptung, die germanischen Rassen seien im Aufstieg und die romanischen im Niedergang begriffen;

  • sowie die Überzeugung, die Weißen müssen sich gegen «die farbigen Horden von Schwarzen, Roten und Gelben» verbünden, um die «europäische Kultur» bzw. die Zivilisation überhaupt vor dem Untergang zu bewahren (Fredrickson, S. 167).[6]

Größeren Bekanntheitsgrad erlangte der Begriff „Rassismus“ erst durch den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, dessen zwischen 1933 und 1934 verfasste Analyse und Widerlegung der nationalsozialistischen Rassendoktrin posthum, in englischer Übersetzung, unter dem Titel Racism veröffentlicht wurde. In dem 1938 erschienenen Werk erklärte Hirschfeld den Aufstieg des deutschen Antisemitismus als Folge der Probleme, die aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg erwuchsen. Rassismus diene als Sicherheitsventil gegen ein Katastrophengefühl und scheine für die Wiederherstellung der Selbstachtung zu sorgen, zumal er sich gegen einen leicht erreichbaren und wenig gefährlichen Feind im eigenen Land richte und nicht gegen einen achtenswerten Feind jenseits der nationalen Grenzen.[33] Dem Konzept der „Rasse“ konnte auch er nichts abgewinnen, was von wissenschaftlichem Wert wäre; stattdessen empfahl er die Streichung des Ausdrucks, „soweit damit Unterteilungen der menschlichen Spezies gemeint sind“.[34] Doch bot auch Hirschfeld keine formale Definition des «Rassismus» und machte auch nicht deutlich, worin seiner Ansicht nach der Unterschied zum Begriff der «Xenophobie» besteht, den er ebenfalls verwandte. Die erste Rassismus-Definition stammt von der Amerikanerin Ruth Benedict. In ihrem 1940 erschienenen Buch Race – Science and Politics bezeichnet sie Rassismus als „das Dogma, dass eine ethnische Gruppe von Natur aus zu erblicher Minderwertigkeit und eine andere Gruppe zu erblicher Höherwertigkeit bestimmt ist. Das Dogma, dass die Hoffnung der Kulturwelt davon abhängt, manche Rassen zu vernichten und andere rein zu erhalten. Das Dogma, dass eine Rasse in der gesamten Menschheitsgeschichte Träger des Fortschritts war und als einzige auch künftig Fortschritt gewährleisten kann“. Bereits diese frühe Definition verwendet „Rasse“ und „ethnische Gruppe“ synonym, der Terminus „Rasse“ wird dabei als soziologische Kategorie aufgefasst und kommt ohne biologischen Bezug aus. Benedict unterschied zunächst scharf zwischen religiösen und rassischen Differenzkonzepten und versuchte so, den Rassismusbegriff auf den biologischen Rassismus einzugrenzen. Im weiteren Verlauf ihrer Studien gab sie diese Trennung jedoch auf und leitete eine «funktionale Äquivalenz» zwischen religiösem Fanatismus und solchen Abneigungen her, die mit Merkmalen der physischen Erscheinung oder der Abstammung gerechtfertigt werden. Beide führen, so Benedict, zu Formen der Verfolgung, für die lediglich unterschiedliche Rechtfertigungen formuliert werden, die sich aber in ihrem Wesen nicht unterscheiden. „In den Augen der Geschichte jedenfalls bleibt der Rassismus lediglich ein anderes Beispiel für die Verfolgung von Minderheiten zum Vorteil derer, die an der Macht sind“ (Fredrickson, S. 168).[6] Populär wurde Benedicts Definition durch Martin Luther King, der sie mehr als 25 Jahre später in seinem Buch Where do we go from here: Chaos or Community? verwandte. In den 1950er Jahren erschien eine wissenschaftlichen Schriftenreihe der UNESCO zur Rassentheorie. Daran war u. a. der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss beteiligt. Zu seinem Beitrag, der 1952 in französischer Sprache und erst 1972 unter dem Titel Rasse und Geschichte in deutscher Sprache im Suhrkamp-Verlag erschien, schrieb er: „Es mag überraschen, wenn in einer Schriftenreihe, die sich den Kampf gegen den Rassismus zum Ziel gesetzt hat, vom Beitrag der Menschenrassen zur Weltzivilisation gesprochen wird.“[35] 1965 definierte die UNO im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung den Begriff der „Rassendiskriminierung“ als „jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.“ Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz definiert Rassismus als „die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt“.[36] Gegenstand und Definition Begriffliche Differenzierung In der Wissenschaft existieren heute verschiedene Definitionen des Begriffs Rassismus. Tragweite, Gültigkeit und Erklärungsmacht der jeweiligen Definitionen variieren je nach Deutungsebene und Schwerpunkt. Der Begriff ist stark ideologisiert, so dass die Akzeptanz oder Ablehnung verschiedener Definitionen auch von politischen oder ethischen Präferenzen abhängen kann. Die jeweils extremsten Deutungen weiten den Begriff entweder sehr aus, bis hin zum sogenannten „Speziesismus“, oder schränken ihn stark ein, so dass er lediglich den „klassischen“, also auf Rassentheorien basierenden Rassismus umfasst.[37] Definitionsgegenstände können historische Tatbestände sein, praktische Strukturen und Prozesse, aber auch Theorien, Ideologien, Denkmethoden und abstrakte Konzepte oder der «Rassismus an sich». Der marxistische Rassismusforscher Étienne Balibar stellte fest, „dass es nicht «einen» invarianten Rassismus, sondern «mehrere» Rassismen gibt, die ein ganzes situationsabhängiges Spektrum bilden […] Eine bestimmte rassistische Konfiguration hat keine festen Grenzen, sie ist ein Moment einer Entwicklung, dass je nach seinen eigenen latenten Möglichkeiten, aber auch nach den historischen Umständen und den Kräfteverhältnissen in den Gesellschaftsformationen einen anderen Platz im Spektrum möglicher Rassismen einnehmen kann.“[38] Der Historiker Patrick Girard sah bereits 1976 die Notwendigkeit eines differenzierteren Rassismusbegriffes: „Zum Beispiel waren offensichtlich Juden, Indianer und Schwarze alle Opfer verschiedener Spielarten des Rassismus. Sie waren das aber auf Grund ganz unterschiedlicher Voraussetzungen in ganz verschiedenen Epochen und aus ganz verschiedenen Gründen. Daher ist es vorzuziehen, von «Rassismen» und nicht von «Rassismus» zu sprechen, wobei der Antisemitismus, wie wir sehen werden, eine Sonderstellung einnimmt“.[39] Auch Soziologen wie Stuart Hall unterscheiden aus praktischen und analytischen Erwägungen heraus zwischen dem «allgemeinen Rassismus» und seinen verschiedenen Ausformungen, den Rassismen: „Es gibt keinen Rassismus als allgemeines Merkmal menschlicher Gesellschaften, nur historisch-spezifische Rassismen.“ – Stuart Hall: ‚Rasse‘, Artikulation und Gesellschaften mit struktureller Dominante, in Rassismus und kulturelle Identität, Ausgewählte Schriften Band 2, Argument-Verlag, Hamburg 1994, ISBN 3-88619-226-1, S. 127 „Empirisch hat es viele Rassismen gegeben, wobei jeder historisch spezifisch und in unterschiedlicher Weise mit den Gesellschaften verknüpft war, in denen er aufgetreten ist.“ – Stuart Hall (1978): nach Robert Miles[40] „Ich habe bislang über den allgemeinen Begriff des Rassismus gesprochen, über Rassismus im allgemeinen. Aber wo immer wir Rassismus vorfinden, entdecken wir, daß er historisch spezifisch ist, je nach der bestimmten Epoche, nach der bestimmten Kultur, nach der bestimmten Gesellschaftsform, in der er vorkommt. Diese jeweiligen spezifischen Unterschiede muß man analysieren. Wenn wir über konkrete gesellschaftliche Realität sprechen, sollten wir also nicht von Rassismus, sondern von Rassismen sprechen.“ – Stuart Hall: Rassismus als ideologischer Diskurs[41] In gleicher Weise argumentiert der Historiker George M. Fredrickson: „Diese Kontinuitäten [strukturelle Ähnlichkeiten von biologisch begründetem und «neuem kulturellem Rassismus»] weisen meiner Ansicht nach darauf hin, dass es eine allgemeine Geschichte des Rassismus und eine Geschichte partikulärer Rassismen gibt; doch um die verschiedenen Formen und Funktionen des allgemeinen Phänomens zu verstehen, mit denen wir uns befassen, ist es notwendig, den jeweils spezifischen Kontext zu kennen.“[42] Die Soziologen Loïc Wacquant und Albert Memmi empfehlen, „ein für alle mal auf die allzu dehnbare Reizvokabel Rassismus zu verzichten oder sie allenfalls zur Beschreibung empirisch analysierbarer Doktrinen und Überzeugungen von Rassen zu verwenden;“[43] bzw. den Terminus «Rassismus», wenn überhaupt, dann ausschließlich zur Bezeichnung des Rassismus im biologischen Wortsinne zu gebrauchen (Memmi, S. 121).[44] Memmi fasst den «Rassismus im weiteren Sinne» als einen «allgemeinen Mechanismus» auf, der jedoch in verschiedenen Spielarten auftritt, von denen der «Rassismus im engeren Sinne» nur eine ist. Weil ein Rassismus sich ohne ein Verständnis des anderen nur unzureichend begreifen lasse und der «Rassismus im weiteren Sinne» wesentlich stärker verbreitet sei, schien es ihm sinnvoll, „den biologischen Rassismus, historisch eine relativ junge Erscheinung, einer allgemeineren und viel älteren Verhaltensweise unterzuordnen“ (Memmi, S. 97).[44] „Tatsächlich stützt sich die rassistische Anklage bald auf einen biologischen und bald auf einen kulturellen Unterschied. Einmal geht sie von der Biologie, dann wieder von der Kultur aus, um daran anschließend allgemeine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Persönlichkeit, des Lebens und der Gruppe des Beschuldigten zu ziehen. Manchmal ist das biologische Merkmal nur undeutlich ausgeprägt, oder es fehlt ganz. Kurz, wir stehen einem Mechanismus gegenüber, der unendlich mannigfaltiger, komplexer und unglücklicherweise auch stärker verbreitet ist, als der Begriff Rassismus im engen Wortsinne vermuten ließe. Es ist zu überlegen, ob man ihn nicht besser durch ein anderes Wort oder eine andere Wendung ersetzt, die sowohl die Vielfalt als auch die Verwandtschaft der einzelnen Formen des Rassismus zum Ausdruck bringt“ (Memmi, S. 165–166).[44] „Der Begriff Rassismus passt genau für die biologische Bedeutung“ und solle daher künftig ausschließlich für den Rassismus im biologischen Sinne gebraucht werden. Zur Bezeichnung der allgemeinen Erscheinung schlug Memmi ursprünglich Ethnophobie vor, entschied sich jedoch 1982 für den Begriff Heterophobie, denn „damit ließen sich jene phobischen und aggressiven Konstellationen begrifflich fassen, die gegen andere gerichtet sind und mit unterschiedlichen – psychologischen, kulturellen, sozialen oder metaphysischen – Argumenten gerechtfertigt werden, und von denen der Rassismus im engeren Sinne lediglich eine Variante wäre“ (Memmi, S. 121–122).[44] „Mit «Rassismus» soll ausschließlich die Ablehnung des anderen unter Berufung auf rein biologische Unterschiede, mit «Heterophobie» soll die Ablehnung des anderen unter Berufung auf Unterschiede jedweder Art gemeint sein. Damit wird der Rassismus zu einem Sonderfall der Heterophobie“ (Memmi, Seite 124).[44] Mit dem Begriff «Heterophobie» ließen sich nach Ansicht Memmis auch weitere terminologische Probleme lösen, weil er einerseits alle Spielarten einer „aggressiven Ablehnung des anderen“ erfasse und sich umgekehrt auch leicht in seine verschiedenen Formen ummünzen lasse. „Statt von Antisemitismus[45] zu sprechen, einem offensichtlich ungenauen Terminus,[46] könnte man den Begriff «Judenphobie» gebrauchen, der eindeutig die Angst vor dem Jüdischen und dessen Ablehnung bezeichnet; dasselbe gilt für die Begriffe ‚Negrophobie‘, ‚Arabophobie‘ usw.“ (Memmi, S. 123).[44] Rassismusdefinition nach Albert Memmi Die in der Rassismusforschung aktuell akzeptierte Definition stammt von dem französischen Soziologen Albert Memmi: „Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ – Memmi, S. 103 u. 164[44][47][48][49] Diese Definition ist nicht auf rassenbiologisch begründete Rassismen beschränkt, so stützt sich die „rassistische Anklage bald auf einen biologischen und bald auf einen kulturellen Unterschied. Einmal geht sie von der Biologie, dann wieder von der Kultur aus, um daran anschließend allgemeine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Persönlichkeit, des Lebens und der Gruppe des Beschuldigten zu ziehen.“ (Memmi, S. 165 f.).[44][50] Sie enthält drei Elemente, die Memmi für wesentlich erachtet und denen auch in der aktuellen Rassismusforschung zentrale Bedeutung zukommt.[51] Memmi betont, dass keines dieser Elemente für sich allein schon den Rassismus ausmache, dieser entstehe erst durch die Verknüpfung (Memmi, S. 44). Differenz Die Grundlage des Rassismus besteht in der nachdrücklichen (Über-)Betonung oder Konstruktion tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zwischen Rassist und Opfer. „Der Unterschied ist der Angelpunkt rassistischer Denk und Handlungsweise“ (Memmi, S. 48).[44] Memmi weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei um einen «allgemeinen Mechanismus» handelt, er „[Der Rassismus] beschränkt sich weder auf die Biologie noch auf die Ökonomie, die Psychologie oder die Metaphysik; er ist eine vielseitig verwendbare Beschuldigung, die von allem Gebrauch macht, was sich anbietet, selbst von dem, was gar nicht greifbar ist, weil sie es je nach Bedarf erfindet“ (Memmi, S. 83).[44] „Die Rassisten verabscheuen die Araber jetzt nicht mehr wegen ihrer sonnenverbrannten Haut oder ihrer levantinischen Gesichtszüge, sondern weil sie – «machen wir uns doch nichts vor» – einer lächerlichen Religion anhängen, ihre Frauen schlecht behandeln, grausam oder einfach rückständig sind“ (Memmi, S. 101).[44] Die Benutzung des Unterschiedes sei zwar für die rassistische Argumentation unentbehrlich, „aber es ist nicht der Unterschied, der stets den Rassismus nach sich zieht, es ist vielmehr der Rassismus, der sich den Unterschied zunutze macht“. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Unterschied real sei oder reine Fiktion, für sich allein wichtig oder unbedeutend. „Wenn es keinen Unterschied gibt, dann wird er vom Rassisten erfunden; gibt es ihn hingegen, dann wird er von ihm zu seinem Vorteil interpretiert“ (Memmi, S. 167).[44] Wertung Das bloße Aufzeigen einer Verschiedenheit zwischen zwei Individuen oder Gruppen stellt, so Memmi, für sich allein genommen noch keinen Rassismus dar. „Der Rassismus liegt nicht in der Feststellung eines Unterschieds, sondern in dessen Verwendung gegen einen anderen“ (Memmi, S. 214).[44] „Der Rassismus ist die Wertung […]“, er beginnt dort, wo der Unterschied eine Interpretation[52] erfährt und ihm eine (zusätzliche) Bedeutung beigemessen wird, in der Art, dass sie (ab)wertend wirkt und Nachteile für den Bewerteten nach sich zieht.[53] „Erst im Kontext des Rassismus nimmt diese Betonung des Unterschieds eine besondere Bedeutung an […]“ (Memmi, S. 166).[44] Die Hervorhebung von tatsächlichen oder eingebildeten Unterschieden ist für Memmi lediglich ein „bequemes Werkzeug für etwas ganz anderes, nämlich die Infragestellung des Opfers“, woraus sich als Konsequenz ergibt, dass die Merkmale des anderen stets negative sind, sie bezeichnen etwas Schlechtes, während die Merkmale des Rassisten gut sind. „Der Rassist ist liebenswert, weil sein Opfer verabscheuungswürdig ist. Die Welt des Rassisten ist die des Guten, die Welt seines Opfers die des Bösen“ (Memmi, S. 98–99).[44] Verallgemeinerung Verallgemeinerung wird von Memmi in zweifacher Hinsicht aufgefasst. Sie drückt sich zum einen als „Entindividualisierung“ oder „Entpersönlichung“, die gleichsam mit einer „Entmenschlichung“ einhergeht, zum anderen als „Verabsolutierung“ oder „Verewiglichung“ aus; er spricht in diesem Sinne von einer „doppelten Verallgemeinerung“. „Die Beschuldigung richtet sich fast immer zumindest implizit gegen fast alle Mitglieder der Gruppe, so daß jedes andere Mitglied derselben Beschuldigung ausgesetzt ist, und sie ist zeitlich unbegrenzt, so daß kein denkbares Ereignis in der Zukunft dem Prozeß jemals ein Ende machen kann“ (Memmi, S. 114).[44] Das Individuum wird nicht mehr für sich betrachtet, sondern als Mitglied einer Gruppe, deren Eigenschaften es zwangsläufig, a priori besitzt, es wird entindividualisiert. „Zugleich verdient die gesamte Fremdgruppe, der das Stigma des Schädlichen und Aggressiven anhaftet, daß man sie angreift; umgekehrt verdient jeder Angehörige der Fremdgruppe a priori die Sanktion […]“ (Memmi, S. 116).[44] Mit dem Verlust der Individualität geht der Verlust der persönlichen und menschlichen Rechte und Würde einher. Der Mensch wird nicht in differenzierender Weise beschrieben; „er hat nur das Recht darauf, in einem anonymen Kollektiv zu ertrinken“ (vgl. Memmi, S. 183–186).[44] Jeder wirkliche oder erfundene Mangel des Einzelnen wird auf die ganze pseudoverwandtschaftliche Gruppe ausgedehnt, und gleichzeitig wird der Einzelne aufgrund eines kollektiven Makels verurteilt. „Individuelles und kollektives Merkmal stehen in einer Art dialektischem Verhältnis zueinander“ (vgl. Memmi, S. 170 f.).[44] Die andere Form der Verallgemeinerung ist die zeitliche Unbegrenztheit der Beschuldigungen. „Der Rassist möchte in dem Stempel, den er dem Gesicht seines Opfers aufdrückt, dessen endgültige Züge sehen. Nicht nur, daß das Opfer einer Gruppe angehört, deren Mitglieder alle diese Makel tragen, sie tun es außerdem für immer. Damit hat alles seine Ordnung für die Ewigkeit. Ein für allemal sind die Bösen böse und die Guten gut […]“ (Memmi, S. 117 f.).[44] Funktion Für Memmi dient Rassismus primär der Herrschaftssicherung, Sinn und Zweck des Rassismus liegt in der Vorherrschaft (Memmi, S. 60).[44] Sekundär kompensiert er psychische Defizite, „man festigt die eigene Position gegen den Anderen. Psychoanalytisch gesprochen ermöglicht der Rassismus eine individuelle und kollektive Stärkung des Ichs“ (Memmi, S. 160).[44] „Um groß zu sein, genügt es dem Rassisten, auf die Schultern eines anderen zu steigen“ (Memmi, S. 202).[44] Rassismusdefinition nach Fredrickson Während bei Memmi die Wertung ein zentrales Element darstellt, verzichtet George M. Fredrickson vollständig auf dieses Kriterium, wodurch seine Definition auch bestimmte ethnozentrische, vor allem aber ethnopluralistische Konzepte einschließt (vgl. Fredrickson, S. 18 f.).[6] Fredricksons Theorie oder Konzeption des Rassismus aus dem Jahr 2002 basiert lediglich auf zwei Komponenten: „Differenz“ und „Macht“. „Rassismus entspringt einer Denkweise, wodurch «sie» sich von «uns» dauerhaft unterscheiden, ohne dass es die Möglichkeit gäbe, die Unterschiede zu überbrücken. Dieses Gefühl der Differenz liefert ein Motiv beziehungsweise eine Rechtfertigung dafür, dass «wir» unseren Machtvorteil einsetzen, um den ethnorassisch Anderen auf eine Weise zu behandeln, die wir als grausam oder ungerecht ansehen würden, wenn Mitglieder unserer eigenen Gruppe davon betroffen wären.“ – Fredrickson, S. 16[6] „Wollten wir eine knappe Formulierung wagen, so könnten wir sagen, dass Rassismus vorliegt, wenn eine ethnische Gruppe oder ein historisches Kollektiv auf der Grundlage von Differenzen, die sie für erblich und unveränderlich hält, eine andere Gruppe beherrscht, ausschließt oder zu eliminieren versucht.“ – Fredrickson, S. 173[6] Nicht die „Differenz“, sondern bereits das „Gefühl der Differenz“ dient – nach Fredrickson – Rassisten als Motiv zur Machtausübung bzw. als Rechtfertigung, um „ethnorassisch Andere“ grausam oder ungerecht zu behandeln. Zur Konstruktion von „wir“ und „sie“ bedarf es keines realen Unterschiedes, es reicht bereits ein «gefühlter Unterschied». Weder konkretisiert er die Art der Machtausübung, diese kann von „einer inoffiziellen, aber durchgängig praktizierten sozialen Diskriminierung bis zum Völkermord“ reichen (Fredrickson, S. 16 f.),[6] noch legt er fest, ob die Differenz biologischer, kultureller, religiöser oder sonstiger Natur ist. „Gewöhnlich greift die Wahrnehmung des Anderen als ‚Rasse‘ jedoch Differenzen auf, die in irgend einem Sinne „ethnisch“ sind. Nach der Definition des Politikwissenschaftlers Donald L. Horowitz gründet Ethnizität „auf einem Mythos gemeinsamer Abstammung, die zumeist mit vermeintlich angeborenen Merkmalen einhergeht. Eine gewisse Vorstellung von Merkmalszuschreibung und einer daraus resultierenden Affinität sind vom Konzept der Ethnizität untrennbar.“ Die Kennzeichen und Identifizierungsmerkmale, an die man dabei gewöhnlich denkt, sind Sprache, Religion, Bräuche sowie (angeborene oder erworbene) physische Eigenschaften. Eines oder mehrere davon (manchmal alle), können als Quellen ethnischer Verschiedenheit dienen; jedes von ihnen kann Verachtung, Diskriminierung oder Gewalt seitens der anderen Gruppe hervorrufen, die das Merkmal oder die Merkmale, die zum Kriterium des ethnisch Anderen geworden sind nicht teilt. Man kann, wie ich es in einem früheren Essay einmal getan habe, das Wesen des Rassismus als hierarchisch geordnete Ethnizität beschreiben; mit anderen Worten, Differenz wird unter Einsatz von Macht zu etwas, das Haß erregt und Nachteile mit sich bringt“ (Fredrickson, S. 142).[6] Während Memmi den Fokus auf die Hierarchisierung, also die Wertung, der Differenzen legt, betont Fredrickson besonders deren Verabsolutierung; die «Differenz», die „ethnorassische“ Andersartigkeit muss dauerhaft sein und ohne die Möglichkeit, die Unterschiede zu überbrücken. Die Gruppenkonstruktion wird dadurch biologisiert oder auch essentialisiert, dass die ethnischen, kulturellen oder sonstigen Differenzen zu unüberbrückbaren, quasibiologischen Unterschieden erklärt werden; die Gruppenkonstruktion wird zum Rassenäquivalent. „Zwar mögen Shoah und Entkolonialisierung auf Dauer Regimes in Mißkredit gebracht haben, die ich als ‚offen rassistisch‘ bezeichnet habe; doch sollte diese gute Nachricht nicht zu der Überzeugung aufgebauscht werden, der Rassismus als solcher sei tot oder liege im Sterben […] Was als «neuer Rassismus» in den USA, Großbritannien und Frankreich bezeichnet wurde, ist eine Denkweise, die kulturelle Differenzen anstelle von genetischer Ausstattung verdinglicht und zu Wesensunterschieden erstarren lässt, die also mit anderen Worten Kultur zum funktionalen Äquivalent von Rasse macht“ (Fredrickson, S. 144).[6] „Von der Existenz einer rassistischen Einstellung kann man sprechen, wenn Differenzen, die sonst als ethnokulturelle betrachtet werden, für angeboren, unauslöschlich und unveränderbar erklärt werden“ (Fredrickson, S. 13).[6] Rassismus, so Fredrickson, „leugnet die Möglichkeit, dass die Rassisten und ihre Opfer in derselben Gesellschaft zusammenleben können, es sei denn auf der Grundlage von Herrschaft und Unterordnung“. In Anlehnung an Pierre-André Taguieff spricht er von Rassismen der Inklusion und solchen der Exklusion.[54] „Ebenfalls gilt als ausgeschlossen, dass die ethnorassische Differenz aufgehoben werden kann, wenn Menschen ihre Identität ändern“ (Fredrickson, S. 17).[6] Dauerhaftigkeit und Unüberbrückbarkeit der Differenz sind für Fredrickson das entscheidende Merkmal, um Rassismen von anderen Formen der Intoleranz und Diskriminierung abzugrenzen. „Es könnte sinnvoll sein, einen anderen Begriff, etwa ‚Kulturalismus‘, zu verwenden, um die Unfähigkeit oder die mangelnde Bereitschaft zur Duldung kultureller Differenzen zu beschreiben; doch wenn eine echte Assimilation angeboten wird, würde ich auf die Verwendung des Rassismusbegriffs verzichten“ (Fredrickson, S. 14–15).[6] Jedoch gelte es zwischen verschiedenen Konzeptionen von Kultur zu unterscheiden. „Geht man davon aus, dass Kultur historisch konstruiert ist und etwas Fließendes, zeitlich und räumlich Variables darstellt, das sich an äußere Umstände anpassen kann, dann ist der Begriff Kultur dem der Rasse diametral entgegengesetzt. Aber Kultur kann in einem solchen Maße verdinglicht und essentialisiert werden, dass sie zum funktionalen Äquivalent des Rassenbegriffs wird“ (Fredrickson, S. 15).[6] „Ein deterministischer kultureller Partikularismus kann das gleiche bewirken wie ein biologisch begründeter Rassismus […]“ (Fredrickson, S. 16)[6] Die Grenzlinie zwischen „Kulturalismus“ und Rassismus ist, nach Fredrickson, rasch überschritten, „Kultur und sogar Religion können so sehr zu Wesensmerkmalen erstarren, dass sie als funktionales Äquivalent für biologischen Rassismus dienen können. Das gilt seit einiger Zeit in gewissem Umfang für die Wahrnehmung der Schwarzen in den USA und Großbritannien sowie für die der Muslime in einigen vorwiegend christlichen Nationen“ (Fredrickson, S. 148).[6] Individualität und Menschenrechte Für Christoph Butterwegge ist Rassismus ein „Denken, das nach körperlichen bzw. nach kulturellen Merkmalen gebildeten Großgruppen unterschiedliche Fähigkeiten, Fertigkeiten, und/oder Charaktereigenschaften zuschreibt, wodurch selbst dann, wenn keine gesellschaftliche Rangordnung (Hierarchie) zwischen ihnen entsteht, die Ungleichverteilung sozialer Ressourcen und politischer Rechte erklärt, also die Existenz von Privilegien bzw. der Anspruch darauf legitimiert, die Gültigkeit universeller Menschenrechte hingegen negiert wird.“[55] Nach Manfred Kappeler benachteiligt Rassismus größere Gruppen von Menschen aufgrund ihrer biologisch oder kulturell begründeten Fremdheit und bestreitet ihren Anspruch auf Menschen- bzw. Bürgerrechte sowie Menschenwürde. Sein „zutiefst inhumaner Kern“ bestehe darin, dass er Menschen nicht als Persönlichkeiten mit eigenen Anlagen und Begabungen, sondern nur als Mitglieder ihrer »Rasse« oder ihres «Kulturkreises» ansehe und ihnen damit jede individuelle, über vermeintliche Kollektiveigenschaften hinausgehende Entwicklungsmöglichkeit abspreche.[56] Rassismusdefinition nach Philomena Essed Für Philomena Essed ist Rassismus „eine Ideologie, eine Struktur und ein Prozeß, mittels derer bestimmte Gruppierungen auf der Grundlage tatsächlicher oder zugeschriebener biologischer oder kultureller Eigenschaften als wesensmäßig andersgeartete und minderwertige «Rassen» oder ethnische Gruppen angesehen werden. In der Folge dienen diese Unterschiede als Erklärung dafür, daß Mitglieder dieser Gruppierungen vom Zugang zu materiellen und nicht-materiellen Ressourcen ausgeschlossen werden. Rassismus schließt immer den Gruppenkonflikt hinsichtlich kultureller und materieller Ressourcen ein.“ „[…] Rassismus ist ein strukturelles Phänomen. Das bedeutet, daß ethnisch spezifizierte Ungleichheit in ökonomischen und politischen Institutionen, im Bereich von Bildung und Erziehung und in den Medien wurzelt und durch diese Strukturen reproduziert wird.“[57] Damit erweitert sie den Begriff «Rassismus» dahingehend, dass sie damit nicht nur eine Ideologie oder konkrete historische Erscheinungsformen verbindet, sondern auch reale Strukturen und Prozesse, wodurch ihre Definition auch Phänomene, beispielsweise Alltagsrassismus oder institutionellen Rassismus, enthält. Rassismusdefinition nach Robert Miles Der Soziologe und Rassismusforscher Robert Miles, der mit seinem 1989 im Original und 1991 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch über den Rassismus einen wesentlichen Beitrag zur Begriffsgeschichte leistete, versteht unter Rassismus einen „Prozess der Konstruktion von Bedeutungen“,[58] dessen Funktionsweise darin bestehe, „dass bestimmten phänotypischen und/oder genetischen Eigenschaften von Menschen Bedeutungen dergestalt zugeschrieben werden, dass daraus ein System von Kategorisierungen entsteht, wobei den unter die Kategorien subsumierten Menschen zusätzliche (negativ bewertete) Eigenschaften zugeordnet werden“.[59] Diese Definition betont den ideologischen Aspekt des Rassismus. Gleichzeitig verknüpft sie ihn mit dem „Prozess der Rassenkonstruktion“ und beschränkt ihn so auf seine klassische Variante. Rassismusdefinition nach Mark Terkessidis Mark Terkessidis hat 1998 die Verengung der Rassismusdiskussion auf Vorurteile und Ideologie kritisiert.[60] In Anlehnung an Immanuel Wallerstein versteht er Rassismus als eine Trennung zwischen „Uns“ und „Ihnen“, die in der Moderne durch Ausschluss durch Einbeziehung konstituiert wurde. Durch die Sklaverei, die Kolonisierung und später durch die Arbeitsmigration wurden jeweils Gruppen von Menschen in ein System einbezogen und durch spezifische Ausgrenzungspraxen ausgeschlossen. Das „rassistische Wissen“ entstand, um die Praxis der Diskriminierung und die so entstandenen Trennungen zu legitimieren und zu erklären. Terkessidis definiert Rassismus in drei Punkten: 1. Ausgrenzungspraxis (in Anlehnung an Robert Miles verstanden als Benachteiligung bei Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen, Dienstleistungen und Positionen); 2. Rassifizierung (Festlegung einer Gruppe als natürliche Gruppe und gleichzeitig Festlegung der „Natur“ dieser Gruppe) und 3. „Differenzierende Macht“ (eine Form von Gewaltverhältnis, etwa die Macht, bestimmte Personen zu beherrschen, sie Sondergesetzgebungen zu unterstellen oder abzuschieben etc.). Nur wenn diese Elemente zusammenkommen, könne sinnvoll von Rassismus gesprochen werden. Terkessidis weist auch darauf hin, dass der Aspekt der „Abwertung“ nicht immer vorhanden sein muss, sondern die Trennung zwischen „Uns“ und „Ihnen“ entlang letztlich beliebiger Eigenschaften selbst schon rassistischen Charakter haben kann. Insofern begreift er Rassismus als einen Apparat, in dem sich diskriminatorische Praxis und Wissensbestände ständig stützen. Kritik an der Verwendung des Begriffs Fredrickson bemerkt, dass der Begriff „Rassismus“ häufig unpräzise und unreflektiert verwendet würde, „um die feindseligen oder negativen Gefühle eines ‚Volkes‘ oder einer ethnischen Gruppe gegenüber einer anderen und die aus dieser Einstellung resultierenden Handlungsweisen zu beschreiben“ (Fredrickson, S. 9).[6] Auf einem Workshop „Neue Begriffe für die Einwanderungsgesellschaft“ einigten sich 2013 die Teilnehmer der Gruppe „Rassismus“ darauf, dass Fälle von Rassismus dann vorlägen, wenn Menschen aufgrund von Zuschreibungen diskriminiert oder verfolgt würden. Rassistisches Denken gehe von der unveränderlichen Zugehörigkeit des Menschen zu einer Gruppe aus, die als der „eigenen“ Gruppe des Zuschreibenden unterlegen bewertet werde.[61] Kurt Horstmann schlug vor, nicht jegliche Diskriminierung irgendwelcher Gruppen als Rassismus zu bezeichnen, und hält es für angebracht, etwa in der Flüchtlingsforschung auf den Ausdruck „Rassismus“ zu verzichten und stattdessen auf die Begriffe „Fremdenfeindlichkeit“, „Xenophobie“, „Ausländerfeindlichkeit“ und dergleichen auszuweichen.[62] Canan Topçu, die mit ihren Eltern als achtjähriges Kind nach Deutschland gekommen war und dort aufgewachsen ist, bezeichnet die hier geführte Rassismusdebatte als „Desintegrationsdebatte“ und kritisiert insbesondere den Essayband Eure Heimat ist unser Albtraum: „Richtung und Tonalität der Rassismuskritik wird bestimmt von einer jungen akademisch gebildeten Generation, die einerseits darauf pocht, nicht auf Herkunft reduziert, sondern als ‚von hier‘ wahrgenommen zu werden, andererseits aber selbst Identitätspolitik betreibt – nicht nur durch die Selbstbeschreibung als People of Color, sondern auch im Zelebrieren von Elementen aus der Herkunftskultur. Politisch problematisch ist die moralische Überlegenheit, die aus der Betroffenheit abgeleitet wird, ohne selbst auf Ressentiments zu verzichten oder Ausgrenzung zu betreiben.“[63] Geschichtliche Erscheinungen Altertum Antikes Griechenland und Rom Die Frage, ob es im alten Griechenland und im alten Rom Rassismus gegeben habe, wird unterschiedlich beantwortet. Sie ist im Zusammenhang damit zu sehen, wie die antiken Griechen seit Homer und Herodot den Begriff „Barbaren“ verwendeten: Dieser bezog sich offenbar nur auf die Sprache. David Theo Goldberg, der das „Konzept der Ausschließung“ als zentral für die Untersuchung und Unterscheidung rassistischer Diskriminierungen betrachtet,[64] verneint Rassismus, weil die Griechen die „Barbaren“ gerade nicht kategorisch verabscheuten (siehe Homer, Herodot, Aischylos, Xenophon und andere). Auch Yves Albert Dauge bestreitet, dass es in der römischen Welt Rassismus gegeben habe.[65] Obschon in der Antike Überlegenheitsgefühle eines Stammes oder Volkes über andere Gruppen und ethnische, religiöse oder kulturelle Stereotype verbreitet waren, existiert für die Begriffe „Rasse“ oder „Rassismus“ kein exaktes Äquivalent in der griechischen oder lateinischen Sprache. Aus dem gleichen Grunde sieht auch Christopher Tuplin keine Veranlassung, von Rassismus in der griechischen Welt zu sprechen; die Diskussion des Rassismus müsse seiner Meinung nach eine Definition von Rasse einschließen.[66] Autoren wie Christian Delacampagne oder Benjamin Isaac sind anderer Auffassung und betonen, dass einerseits dem Rassenbegriff analoge ideologische Konstruktionen existiert hätten und andererseits Rassismus ohnehin im Kern kulturell argumentiere.[67][68] Beide verweisen ausführlich auf Aristoteles’ Konstruktion des Barbaren und eine mit ihr betriebene Legitimation der Sklaverei. Barbaren sei ein minderes Menschsein zugeschrieben worden, weil sie nur bedingt über Vernunft verfügten.[69] Proto-Rassismus Benjamin Isaac benutzt für die Antike, neben „frühem Rassismus“ oder „antikem Rassismus“, hauptsächlich den Begriff „Proto-Rassismus“, der in den 1970er Jahren vom Ägyptologen Jean Yoyotte geprägt wurde.[70] Er will damit zweierlei zum Ausdruck bringen: Zwar habe es in der Antike eine Art von Rassismus gegeben, aber dieser habe sich vom klassischen Rassismus unterschieden, wie er sich im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt hat. Doch ist der antike Rassismus insofern Proto-Rassismus, also Vorläufer des Rassismus, als er – nach Isaac – späteres rassistisches Denken beeinflusst hat. Für Isaac zeichnet sich Rassismus dadurch aus, dass hierbei Individuen oder ganze Gruppen von Menschen mit unveränderlichen körperlichen oder geistigen Eigenschaften in Verbindung gebracht werden. Diese kollektiven Eigenschaften sind für den Rassisten vorgegeben, sie können nicht verändert werden, da sie entweder vererbt oder aber durch klimatische und geografische Bedingungen determiniert wurden. Einige Stereotype seien bereits in der Antike zur Legitimierung imperialistischer Aggressionen gegenüber „minderwertigen“ Völkern benutzt worden. Antike Elemente des Proto-Rassismus seien ferner zu grundlegenden Bausteinen des modernen Rassismus geworden. Sie seien über Autoren des 18. Jahrhunderts den Begründern der modernen rassistischen Ideologie übermittelt worden. Die griechisch-römische Antike kenne zwar keine Theorie eines biologischen Determinismus, dennoch finde sich schon früh, spätestens ab dem 5. Jahrhundert v. Chr., die Vorstellung, dass Menschen je nach ihrer geografischen Herkunft entsprechende Eigenschaften besitzen.[71] Nach dieser Theorie seien die Menschen im heißen Süden intelligenter, wenn auch ängstlicher und zaghafter als die Menschen im kalten Norden, die auf Grund der unwirtlichen Landschaft erfinderisch, impulsiv, wenn auch leichtsinnig seien.[72] Athen und später dann Rom hätten sich als ideale Mitte zwischen Extremen gesehen, wobei das angenehme Klima Griechenlands und Italiens als Argument gedient habe. Proto-Rassismus gibt es nach Isaac zum einen also in diesen anthropogeografischen Vorstellungen – zum anderen hat vor allem Aristoteles (und nach ihm andere) die Ansicht vertreten, dass gewisse Menschen zum Sklavendasein geboren wurden. Es gibt gemäß dieser Ansicht Menschen höherer Ordnung und solche einer niedrigeren Ordnung. Auch diese Unterscheidung zeugt, nach Isaac, von Proto-Rassismus: The question to be considered is what are the explanations given in ancient literature for the presumed superiority or inferiority of specific groups. If these consist of theories regarding heredity or unalterable exterior influences, it is possible to speak of proto-racism. Klima-Theorie Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Antiker (Proto-)Rassismus zeigte sich nach Isaac insbesondere in Form der sogenannten „Klimatheorie“, die unterschiedlichen nichtgriechischen Völkern gewisse Eigenschaften zuschreibt. Sie spiegelt sich erstmals in der hippokratischen Schrift Über die Umwelt (lateinisch De aeribus aquis locis). Im Hinblick auf das mythische Volk der „Makrokephalen“, welches der Verfasser von De aeribus beschrieb, wird klimatheoretischer Proto-Rassismus mit der Vorstellung der Vererbbarkeit der entsprechenden Merkmale vermengt. Diese Ausführung der Theorie bleibt jedoch uneindeutig – sicher nicht zuletzt wegen des beschränkten Wissens damaliger Zeit hinsichtlich der Erbbiologie. Der Klimatheorie ist in De aeribus immer die Theorie der Inferiorität von Fremdvölkern aufgrund ihrer politischen Verfassung (Despotie) beigeordnet. Ob nun die Politik und Ordnung (Nomos) oder die Natur des Menschen (Physis) ausschlaggebend für das Bild des Fremden sein sollte, ist nicht genau zu beantworten. Durch die sophistisch geprägte Rhetorik, die möglichst Vertreter unterschiedlicher Theorien für sich gewinnen möchte, war das Ausmaß und die Art und Weise der Anwendung der Klimatheorie vielgestaltig. Genotypen und Charakter Vincent Rosivach schrieb,[73] dass das (meist) rote und blonde Haar der Thraker und anderer Völker im Norden Griechenlands oft als Kennzeichen der minderwertigen Menschen galt. Thraker bildeten eine ethnisch geschlossene Gruppe von Sklaven im Athen archaischer Zeit. Sie sind unter Solon angekauft worden. Menschen mit diesem Genotyp traten in Athen fast ausschließlich als Sklaven auf. Entsprechende Assoziationen seitens der griechischen Bevölkerung waren die Folge. In Komödien wurden die Charaktere von Sklaven ausschließlich mit rotem Haar dargestellt. „Rot-“ bzw. „Blondschopf“ waren typische Sklavennamen. Gegen die Annahme der Existenz eines Hautfarbenrassismus in der Antike wendete sich seit den 1980er Jahren Frank M. Snowden, Jr. Bei Platon gab es eine dichotome Sichtweise, die alles Unathenische als weibisch (bzw. weiblich), fremd, feige, verlogen, standpunktlos, primitiv oder dekadent abtat. Er setzt in seiner Politeia die drei Seelenteile in Beziehung zu den einzelnen Fremdvölkern zugewiesenen Charaktereigenschaften; ihm gelten Thraker und Skythen als kriegerisch, Phönizier und Ägypter als erwerbsstrebig.[74] Sein Schüler Aristoteles nennt die gleichen Beispiele kriegerischer Völker.[75] Thraker und Skythen, die beiden Fremdvölker im Norden, werden also von beiden als kriegerisch benannt; als zum Herrschen bzw. zur besten Herrschaft geeignet nennen beide ausschließlich das eigene Volk. Eine einfachere Differenzierung als Platon nimmt Aristoteles vor, wenn er ein Europa-Asien-Gefälle unter den nichtgriechischen Völkern behauptet, die kleinasiatischen seien „sklavischer“.[76] Nach Aristoteles seien diejenigen, die von Natur aus sklavisch seien, nicht eindeutig von der Natur durch körperliche Erscheinung und charakteristische Merkmale gekennzeichnet.[77] Die servile Eigenart wird den Barbaren insbesondere deswegen von Aristoteles zugesprochen, da es ihnen an den politischen Strukturen mangele, die eine Gemeinschaft der Freien und Gleichen ermöglichen.[78] Indien, China und Japan In Asien gibt es ebenfalls weit zurückreichende Formen rassistischer Diskriminierung, die klassenbezogene und kulturbezogene Grundlagen hatten und ohne Rassenbegriff funktionierten. Die Chinesen entwickelten schon Jahrhunderte vor den Griechen kulturalistische Vorstellungen von Barbaren. Nachdem sie ursprünglich davon ausgingen, dass diese durch den Kontakt mit der chinesischen Kultur zivilisiert werden könnten, wurden sie schließlich mit Tieren verglichen, die kulturell grundsätzlich defizitär seien. Frank Dikötter hat darauf hingewiesen, dass es im Kaiserreich China eine lang währende eigene rassistische Tradition gab, ehe man dort mit dem europäischen Rassengedanken in Kontakt kam. Das gilt auch für Indien, wo Kastenschema und Unberührbarkeit mit Hilfe von organischen Metaphern (Purusha) und Vermischungsverboten legitimiert wurden. Diese Biologisierung sozialer Unterschiede war durchaus nicht einzigartig. Sie wurde im Zuge der durch den europäischen Imperialismus importierten Rassentypologie und mit Hilfe des auf sie gestützten arischen Mythos einer völkischen Interpretation unterzogen, die behauptete, das Kastenschema wäre das Produkt hellhäutiger arischer Einwanderer, die die dunkelhäutige Urbevölkerung unterworfen hätten. Gail Omvedt schreibt dazu: „Punjabi Brahmans and Punjabi Untouchables were ethnically the same, and Tamil Brahmans and Tamil Untouchables were not racially different.“ (etwa: „Die Brahmanen des Pundschab und die Unberührbaren des Pundschab waren ethnisch identisch, und die tamilischen Brahmanen unterschieden sich in der Rasse nicht von den tamilischen Unberührbaren.“) Sozial begründete Kastendifferenzen gab es auch in Japan. Die rassistische Diskriminierung der Buraku, einer mit niederen und als unrein geltenden Tätigkeiten beschäftigten Kaste, reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Neben diesem nach innen gerichteten Rassismus gab es auch die nach außen gerichtete rassistische Diskriminierung der Ainu. Sowohl auf die Buraku als auch auf die Ainu wurde später der von den Europäern entlehnte Rassenbegriff angewandt und so, wie Richard Siddle, Michael Weiner und andere gezeigt haben, deren auf Kastendenken und Kulturchauvinismus gestützte Diskriminierung übernommen. Mittelalter Der Proto-Rassismus des europäischen Mittelalters lässt sich an verschiedenen Indikatoren aufzeigen. Einmal ist es die Zeit eines umkämpften Bildes vom Afrikaner, zu dem Peter Martin Material zusammengetragen hat, das auf widersprüchliche Konzeptionen verweist, die zwischen Wolfram von Eschenbachs schöner, schwarzer Königin Belakane und den schwarzen, moslemischen Teufeln des Rolandsliedes schwanken. Später treten mit den judenfeindlichen Pogromen während des ersten Kreuzzuges und der großen Pest Ideologien und Praktiken der Ausgrenzung und Vernichtung zutage, die für Léon Poliakov und andere zur Geschichte des Antisemitismus und Rassismus gehören. Entgegenhalten lässt sich dem allerdings, dass die Ablehnung der Juden (siehe Antijudaismus) und Muslime sich vornehmlich religiös artikulierte. Eine ausgeprägte Manifestation des Hautfarbenrassismus (Abwertung anderer wegen ihrer Hautfarbe) findet sich in der Zeit des Mittelalters auch in der arabischen Welt.[79] Als Erklärung musste die Sonneneinstrahlung herhalten, die Kinder würden dadurch im Mutterleib zu lange gekocht, wie ein anonymer Autor im Irak im 10. Jahrhundert schrieb: „so dass das Kind zwischen Schwarz und dunkel gerät, zwischen übelriechend und stinkend, kraushaarig, mit unebenmäßigen Gliedern, mangelhaftem Verstand und verkommenen Leidenschaften, wie etwa die Zanj (dh Ostafrikaner), die Äthiopier und andere Schwarze, die ihnen ähneln“.[80] Ebenfalls im 10. Jahrhundert bemerkt der 946 in Jerusalem geborene Geograph Al-Maqdisi: „Es gibt bei ihnen keine Ehen: das Kind kennt seinen Vater nicht; und sie essen Menschen… Was die Zanj angeht, so sind es Menschen von schwarzer Farbe, flachen Nasen… und geringem Verstand oder Intelligenz“.[81] Auch die berühmtesten Gelehrten der arabischen und persischen Welt vertraten die Auffassung von der Minderwertigkeit der Schwarzen, so beispielsweise der persische Arzt Ibn Sina (Avicenna), der jüdisch-andalusische Philosoph Mosche ben Maimon (Maimonides), Sa’id al-Andalusi aus Toledo, welcher die angenommene Minderwertigkeit der Schwarzen auf zu starke Sonneneinwirkung zurückführte,[82] und Ibn Khaldun, welcher die angenommene Minderwertigkeit der Schwarzafrikaner zur Legitimation des ausgeprägten Sklavenhandels und Sklavenraubs, den die Araber in Subsahara-Afrika unternahmen, heranzog: „Daher sind in der Regel die schwarzen Völker der Sklaverei unterwürfig, denn (sie) haben wenig Menschliches an sich und haben Eigenschaften, die ganz ähnlich denen von stummen Tieren sind, wie wir festgestellt haben“[83] „sie haben die Angewohnheiten von Tieren, nicht von Menschen und essen einander auf“.[84] Die Konsequenzen waren beispielsweise, dass weiße Sklavinnen teurer waren als schwarze sowie dass die Aufstiegsmöglichkeiten für schwarze Sklaven geringer waren als für weiße,[85] obgleich aus Sicht des islamischen Rechts die Grundlage für die Versklavung in beiden Fällen gleich war (nämlich der Unglaube). Neuzeit bis zum Zeitalter des Imperialismus Reconquista und Conquista Das Jahr 1492 gilt mit der europäischen Entdeckung Amerikas und dem Alhambra-Edikt als Symbol für eine Vermengung und Überlagerung unterschiedlicher praktischer und ideologischer Formen rassistischer Diskriminierung. Norman Roth und andere haben gezeigt, wie der Antisemitismus durch die Idee von der „Reinheit des Blutes“ (spanisch limpieza de sangre) in der Politik gegenüber den Juden seine moderne Form anzunehmen begann. Mit der Frage nach der Blutsreinheit und der Herkunft wurde bis zu einem Sechzehntelanteil – also über vier Generationen – angeblich jüdischen Blutes geforscht. Es galt sogar als gefährlich, christliche Kinder von Ammen aus konvertierten Familien stillen zu lassen, weil sich deren Milch angeblich schädlich auswirken könne. Erste Begegnungen der Seefahrer aus Spanien 1492 mit dem indigenen Volk der Arawak verliefen friedlich. In seinem Logbuch betrachtete sie Christoph Kolumbus aber bereits zu diesem Zeitpunkt als zukünftige Untertanen oder gar als Sklaven.[86] Die Eroberung Amerikas hatte mit der massenweisen Versklavung und dem Genozid[87] an den Indianern, der nach Jared Diamond jedoch vor allem durch eingeschleuste Seuchen erfolgte,[88] und dem anschließenden „Ersatz“ durch Verschleppung afrikanischer Sklaven gleich zwei rassistische Dimensionen. In der Auseinandersetzung zwischen Bartolomé de Las Casas und Juan Ginés de Sepúlveda über die Frage, ob die indigene Bevölkerung des späteren Amerika Menschen seien und wie sie behandelt werden müssten, wurde auf den von Aristoteles geprägten Begriff des Barbaren zurückgegriffen. Andererseits begann sich aufgrund der Herausbildung einer vielfältig gemischten Gesellschaft ein an Hautfarben orientiertes Kastensystem zu entwickeln, das zahlreiche Schattierungen kannte. Imanuel Geiss hat eine der gängigen Unterteilungen dokumentiert: „Aus Spanier und Indianerin entsteht Mestize. Aus Spanier und Mestizin entsteht Kastize. Aus Kastize und Spanierin entsteht Spanier. Aus Spanier und Negerin entsteht Mulatte. Aus Spanier und Mulattin entsteht Morisco. Aus Spanier und Morisca entsteht Albino. Aus Spanier und Albina entsteht Torna Atras. Aus Indianer und Negerin entsteht Lobo. Aus Indianer und Mestizin entsteht Coyote. Aus Lobo und Indianerin entsteht Chino. Aus Chino und Negerin entsteht Cambuxo. Aus Cambuxo und Indianerin entsteht Tente en el aire. Aus Tente en el aire und Mulattin entsteht Albarasado. Aus Albarasado und Indianerin entsteht Varsino. Aus Varsino und Cambuxa entsteht Campamulatte.“



 
 
 

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