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- Ricarda schönfischstein
- 21. Mai 2023
- 24 Min. Lesezeit
Im Jahr 1976 wurde er als Rechtsanwalt am Landgericht Hannover zugelassen. Er arbeitete zunächst als angestellter Rechtsanwalt und ab 1978 als Sozius der Anwaltskanzlei Holtfort in Hannover.[12] Er übte diesen Beruf bis zu seiner Wahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten im Jahr 1990 aus und vertrat unter anderem den damals als RAF-Terroristen inhaftierten Horst Mahler, dem er zum einen zu vorzeitiger Entlassung aus dem Gefängnis und später zur Wiederzulassung als Rechtsanwalt verhalf. Ebenso war er Vertreter der Nebenklage bei der Verhandlung des Fememords am Skinhead und Neonazi Gerd-Roger Bornemann, dem Sohn eines sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionärs.[13]
Familie und Freunde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kim So-yeon und Gerhard Schröder (2018)
Schröder war von 1968 bis 1972 mit der Bibliothekarin Eva Schubach verheiratet, von 1972 bis 1983 mit der Lehrerin Anne Taschenmacher,[14] von 1984 bis 1997 mit Hiltrud Hensen und von 1997 bis 2018 mit Doris Köpf.[15][16] Die vierte Scheidung wurde am 11. April 2018 rechtskräftig.[17] Im Januar 2018 stellte Schröder die südkoreanische Wirtschaftsexpertin Kim So-yeon (* 1970) als seine neue Partnerin vor, das Paar heiratete am 2. Mai 2018 in Seoul.[18][19][20] 2021 wurde er von einem Gericht in Seoul zur Zahlung von 22.000 Euro Schmerzensgeld an deren Ex-Ehemann verurteilt.[21]
Gerhard Schröder hat keine leiblichen Kinder; er war jedoch Stiefvater von Klara (* 1991),[22] der Tochter von Doris Köpf und dem Journalisten Sven Kuntze. Die Eheleute Schröder-Köpf hatten außerdem zwei russische Waisenkinder adoptiert: Viktoria (* 2002 in Sankt Petersburg; adoptiert 2004) und Gregor (* 2006; adoptiert 2006).[23] Die Familie lebte lange Zeit in einem Reihenendhaus im Zooviertel von Hannover. Im Juni 2009 zog sie in eine Villa am Rande der Eilenriede im Stadtteil Waldhausen.[24]
Seit der Trennung von Doris Schröder-Köpf lebte Gerhard Schröder in einer Wohnung in Hannover.[25] Er besitzt ferner zwei Eigentumswohnungen in einem Ferienhaus auf der Nordseeinsel Borkum.[26]
Gerhard Schröder ist evangelisch. Er äußerte 2014, ihm gefalle am Protestantismus „die Klarheit, die Nähe zur Vernunft und die Abwesenheit von Brimborium“. Auf die Idee, politische Entscheidungen aus einem Zwiegespräch mit Gott abzuleiten, sei er aber nie gekommen.[27]
Parteilaufbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schröder ist seit 1963 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). 1971 wurde er als Nachfolger Herbert Schmalstiegs Vorsitzender der Jusos im Bezirk Hannover. Von 1978 bis 1980 war er auch deren Bundesvorsitzender als Nachfolger des 1977 aus der Partei ausgeschlossenen (1983 aber mit Unterstützung Schröders wieder in die SPD eingetretenen) Klaus Uwe Benneter.[28] Schröder bezeichnete sich selbst als „konsequenten Marxisten“. Er wurde innerhalb der Jusos dem linken Flügel der „Antirevisionisten“ zugerechnet, erklärte aber, sein „Fraktionsdenken“ sei begrenzt und seine inhaltlichen Positionen würden sich nicht wesentlich von denen Benneters vom „Stamokap“-Flügel unterscheiden.[29] Ab 1979 war er Mitglied des SPD-Parteirates.[11]
Im Mai 1980 besuchte er in seiner Funktion als Juso-Vorsitzender die „Republik Freies Wendland“, das Hüttendorf der Bauplatzbesetzung der kerntechnischen Endlager-Erkundung für den Salzstock Gorleben-Rambow. Schröder sprach sich dabei gegen die Räumung aus.[30][31]
Für die Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Juni 1986 war als Spitzenkandidatin der Partei zunächst Anke Fuchs vorgesehen, ehemalige Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit. Sie verzichtete, nachdem Schröder seine Kandidatur angekündigt und sich dabei der Unterstützung mehrerer Kreisverbände seiner Partei versichert hatte.
Schröder befürwortete schon 1979 als Juso-Vorsitzender eine strategische Zusammenarbeit mit den Grünen. Mitte der 1980er-Jahre gab es innerhalb der SPD Diskussionen über potenzielle Koalitionspartner, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene, wobei der Kanzlerkandidat Johannes Rau für die Bundestagswahl am 25. Januar 1987 eine Koalition mit den Grünen ausschloss und auf eine absolute Mehrheit der SPD setzte. Schröder schwenkte auf diese Linie ein und schloss schon im Herbst 1985 eine rot-grüne Koalition für Niedersachsen nach der Landtagswahl 1986 aus.[32] Im Oktober 2020, fünfzehn Jahre nach Ende seiner Zeit als Kanzler einer rot-grünen Koalition, bezeichnete Schröder die Grünen als „neokonservative Partei“, von deren Idealen im Fall einer schwarz-grünen Koalition nicht mehr viel bleiben werde.[33]
Vom 16. Juli 1994 bis zum 29. September 1998 war er als Nachfolger von Johann Bruns Landesvorsitzender der Sozialdemokraten in Niedersachsen.
Im Jahr 1993 bewarb sich Schröder um die Nachfolge Björn Engholms, der wegen seiner früheren Falschaussage vor dem Barschel-Untersuchungsausschuss als Bundesvorsitzender der SPD zurückgetreten war.[34] Bei der Urwahl des SPD-Bundesvorsitzenden im Juni 1993 kandidierte Schröder gegen Rudolf Scharping und Heidemarie Wieczorek-Zeul, wobei er zugleich seine Kanzlerkandidatur für 1994 erklärte, unterlag aber Scharping.[35] Scharping nahm Schröder in seine Kommission zur Erarbeitung des SPD-Regierungsprogramms auf und ernannte ihn zum Zuständigen für Energiefragen.[34] In Scharpings Schattenkabinett zur Bundestagswahl 1994 wurde ihm ein Superministerium für Wirtschafts-, Verkehrs- und Energiepolitik zugedacht.
Im August 1995 äußerte Schröder Zweifel an den Führungsqualitäten Scharpings und sprach ihm die erneute Anwartschaft auf die Kanzlerkandidatur ab.[34] Nachdem Schröder erklärt hatte, es gehe nicht mehr um sozialdemokratische, sondern um moderne Wirtschaftspolitik, wurde ihm das Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers seiner Partei entzogen.[34] Im November desselben Jahres, nachdem Oskar Lafontaine zum neuen Parteichef gewählt und damit Rudolf Scharping de facto entmachtet war, erhielt Schröder das Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers wieder zurück.[34]
Vorsitzender der SPD[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines von allen Ämtern im März 1999 wurde Schröder zum SPD-Vorsitzenden gewählt und behielt dieses Amt bis 2004.
Nachdem Schröder kontinuierlich Popularitätsverluste hatte hinnehmen müssen, entschloss er sich, den Parteivorsitz abzugeben. Auf einem Sonderparteitag wurde Franz Müntefering, Vorsitzender der Bundestagsfraktion, am 21. März 2004 zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt. Schröder rechtfertigte seine Entscheidung auf einer Pressekonferenz damit, sich „noch intensiver um Regierungsangelegenheiten kümmern“ zu müssen.
Parteiausschlussverfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ab April 2022 lief ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder, nachdem verschiedene Gliederungen der SPD Anträge darauf gestellt hatten. Hintergrund war Schröders Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, auch nachdem dieser den russischen Überfall auf die Ukraine zwei Monate zuvor befohlen hatte.[36]
Am 14. Juli 2022 eröffnete die zuständige Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Hannover die Verhandlung über den Ausschluss, nachdem 17 formell gültige Anträge eingegangen waren.[37] Die Verhandlungsführung übernahm der Kreisverband Heidelberg, der am 1. März 2022 als erster den Ausschluss beantragt hatte.[38]
Nach Prüfung kam das SPD-Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass Schröder mit seinem Engagement für russische Staatskonzerne nicht gegen die Parteiordnung der SPD verstoßen habe, und lehnte einen Parteiausschluss ab. Ein Verstoß könne Schröder nicht nachgewiesen werden, entschied die Schiedskommission am 8. August in erster Instanz.[39] Sieben der ursprünglich 17 Gliederungen der Partei legten Berufung gegen die Entscheidung ein.[40][41] Im März 2023 wies die Schiedskommission des SPD-Bezirks Hannover Anträge mehrerer SPD-Gliederungen in zweiter Instanz zurück.[42]
Am 15. Mai 2023 bestätigte die Bundesschiedskommission der Partei in dritter und sowie letzter Instanz Schröders Verbleib in der SPD und wies die Einsprüche der Ortsvereine Leipzig-Ost/Nordost in Sachsen und Leutenbach in Baden-Württemberg „aus formalen Gründen“ ab.[43]
Abgeordneter in Bundestag und Landtag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mitgliedschaft im Bundestag (1980–1986)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 kandidierte Schröder erfolgreich für einen Sitz im Bundestag, dem er zunächst sechs Jahre lang angehörte. Er vertrat im Parlament zuerst den Bundestagswahlkreis Hannover Land I, den er mit 50 % der Erststimmen gewonnen hatte.[44] Bei der Bundestagswahl 1983 erreichte Schröder hier 44,6 % der Erststimmen. Er verlor damit den Wahlkreis gegen Dietmar Kansy,[45] den Kandidaten der CDU. Über die Landesliste der SPD konnte er dennoch in den Bundestag einziehen.[46]
Mitgliedschaft im Niedersächsischen Landtag (1986–1998)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Erich Honecker in Saarbrücken im Rahmen seines Staatsbesuchs in der Bundesrepublik bei Ministerpräsident Oskar Lafontaine und dem niedersächsischen SPD-Fraktionsvorsitzenden Gerhard Schröder, 1987
Bei der Landtagswahl in Niedersachsen 1986 gewann Gerhard Schröder das Direktmandat im Landtagswahlkreis Lehrte und verteidigte es bei den nächsten beiden Landtagswahlen 1990 und 1994.
Unter Schröders Führung gelang es der SPD trotz deutlicher Zugewinne nicht, stärkste Fraktion zu werden. Die CDU verlor zwar ihre absolute Mehrheit, konnte aber mit der FDP bei knapper Mehrheit die Regierungskoalition bilden (Kabinett Albrecht V).
Schröder legte sein Bundestagsmandat nieder und wechselte als SPD-Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer in den Niedersächsischen Landtag, dem er bis 1998 angehörte.
Wie auch andere führende SPD-Politiker nahm Schröder bis 1989 zur deutschen Wiedervereinigung ausdrücklich eine distanzierte bis ablehnende Haltung ein. Am 12. Juni 1989 zitierte ihn die Bild-Zeitung aus einer Plenarsitzung des niedersächsischen Landtages mit folgenden Worten:
„Nach 40 Jahren Bundesrepublik sollte man eine neue Generation in Deutschland nicht über die Chancen einer Wiedervereinigung belügen. Es gibt sie nicht. Und es gibt wichtigere Fragen der deutschen Politik in Europa.“
In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung äußerte er am 27. September 1989, eine auf Wiedervereinigung gerichtete Politik sei „reaktionär und hochgradig gefährlich“.[47]
Ministerpräsident von Niedersachsen (1990–1998)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1990 mit seiner dritten Ehefrau Hiltrud Schwetje, wenige Tage nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten
Gerhard Schröder als niedersächsischer Ministerpräsident 1990 mit seinem bayerischen Amtskollegen Max Streibl
Zur Landtagswahl in Niedersachsen 1990 war Schröder erneut Spitzenkandidat der SPD Niedersachsen. Am 21. Juni 1990 wurde er mit rot-grüner Parlamentsmehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Landtagswahl in Niedersachsen 1994 und die Landtagswahl in Niedersachsen 1998 bestätigten ihn im Amt. Als Ministerpräsident war er vom 1. November 1997 bis zum 27. Oktober 1998 auch Präsident des Bundesrats.
Landesregierung Schröder I[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Kabinett Schröder I (Niedersachsen)
In seiner ersten Regierungserklärung formulierte Schröder 1990 seine Leitmotive: „Modernisierung der Wirtschaft, ökologische Vernunft, soziale Gerechtigkeit und kulturelle Vielfalt“. Er setzte vor allem auf „sozialdemokratischen Pragmatismus“, der allerdings immer wieder zu Konflikten mit dem Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen führte.[34]
In seiner Amtszeit zeigte er sich als Verfechter eines neuen energiepolitischen Konsens. Zudem einigte er sich mit Hamburg über die Abtretung des Amerikahafens in Cuxhaven an Niedersachsen.[34]
Im Jahr 1992 geriet Schröder als Ministerpräsident unter Druck wegen seines Einsatzes für Waffenexportgeschäfte und wegen der Zustimmung Niedersachsens zum Asylkompromiss im Bundesrat, den sein Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen grundsätzlich ablehnte.[34]
Wie alle niedersächsischen Ministerpräsidenten gehörte Schröder dem Aufsichtsrat der Volkswagen AG an, an der das Land Niedersachsen mit 20 % der Aktien beteiligt ist. Ein Besuch des Wiener Opernballs mit seiner Ehefrau, zu dem er von VW-Chef Ferdinand Piëch eingeladen worden war, wurde in der Öffentlichkeit in einer Zeit der sozialen Einschnitte kritisiert.[48]
Landesregierung Schröder II[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Kabinett Schröder II (Niedersachsen)
Bei der niedersächsischen Landtagswahl 1994 erreichte die SPD unter Schröders Führung eine absolute Mehrheit und regierte fortan ohne Koalitionspartner. Er setzte angesichts der hohen Verschuldung des Landes ein rigoroses Sparprogramm durch, das in der SPD-Landtagsfraktion wegen des Personalabbaus in Schulen und bei der Polizei sehr umstritten war.[34]
Schröder sprach sich gegen Ende der zweiten Amtszeit für einen grundlegenden Kurswechsel in der Umweltpolitik und eine „kontrollierte Verschiebung“ des Euro aus.[34]
Landesregierung Schröder III[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Kabinett Schröder III (Niedersachsen)
Als Schröder bei der Landtagswahl am 1. März 1998 erneut die absolute Mehrheit holte, erklärte ihn SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering noch am Wahlabend zum Kanzlerkandidaten der SPD für die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998.[34]
Bundeskanzler (1998–2005)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bundesregierung Schröder I 1998–2002[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Kabinett Schröder I
Das Ergebnis der Bundestagswahl bedeutete ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: Erstmals verlor eine amtierende Regierungskoalition ihre parlamentarische Mehrheit und wurde durch die bisherige Opposition ersetzt, und erstmals erhielten die Parteien, die sich traditionell als „links der Mitte“ einstufen (SPD, Grüne, PDS), mehr als 50 Prozent der Stimmen. Die SPD hatte sich jedoch im Wahlkampf als Partei einer „Neuen Mitte“ dargestellt.[49] Mit dem Ergebnis konnte Schröder die erste rot-grüne Koalition auf Bundesebene bilden. Weil zum ersten Mal Vertreter der neuen sozialen Bewegungen an die Regierung gelangten, sprach man vom „Projekt Rot-Grün“, das einen Wandel in der politischen Kultur Deutschlands verkörpern sollte.[50]
Schröders Schreibtisch, Bonn 1999
Schröder wurde am 27. Oktober 1998 zum siebten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.[51] Er war nach Willy Brandt und Helmut Schmidt der dritte sozialdemokratische Bundeskanzler. Bei seiner Wahl erhielt Schröder bei 287 Gegenstimmen und 27 Enthaltungen 351 Stimmen, obwohl die rot-grüne Koalition nur 345 Mandate innehatte. Es war das erste und bislang einzige Mal, dass ein deutscher Bundeskanzler mit „fremden“ Stimmen gewählt wurde. Schröder machte als erster deutscher Bundeskanzler von der Möglichkeit Gebrauch, den Eid auf das Grundgesetz ohne religiöse Beteuerung zu leisten. Nach einer kurzen Zeit mit Bodo Hombach wurde 1999 Frank-Walter Steinmeier als Leiter des Bundeskanzleramts einer der engsten Mitarbeiter Schröders. Gerhard Schröder bezog am 2. Mai 2001 als erster Bundeskanzler das neu errichtete Gebäude des Bundeskanzleramts in Berlin.
Schröder bezeichnete seinen Regierungsstil in der ersten Amtszeit als Bundeskanzler als „Politik der ruhigen Hand“; je nach politischer Einstellung wurde er von anderen als pragmatisch und sachorientiert oder als populistisch bzw. visionslos eingestuft.
Bei der Vorbereitung seiner Reformprojekte stützte sich Schröder nicht nur auf die Ministerien und das Parlament, sondern berief zu den Einzelthemen eine Reihe von beratenden Gremien und Kommissionen. Laut Schröder sollten sie dazu dienen, einen breiten Konsens der Experten bei den angestrebten Reformen sicherzustellen. Kritiker warfen ihm vor, damit grundlegende Mechanismen der Demokratie auszuhebeln. Befürworter hingegen stellten fest, dass diese Gremien und Kommissionen lediglich im Vorfeld von Gesetzesinitiativen aktiv seien und keinerlei Auswirkung auf den späteren Gesetzgebungsprozess hätten, der genau wie bei allen anderen Gesetzen auch ablaufe.
Zu den Kommissionen gehören das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, der nationale Ethikrat, die Weizsäcker-Kommission zur Zukunft der Bundeswehr, die Süssmuth-Kommission zur Zuwanderung nach Deutschland, die Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Kommission), die Rürup-Kommission zur Zukunft der Sozialsysteme sowie ab dem 27. Juli 2005 eine Kommission unter Vorsitz von Kurt Biedenkopf, die Vorschläge für eine Reform der Unternehmensmitbestimmung unterbreiten sollte.
SPD und Grüne verzeichneten bei mehreren Landtagswahlen im Jahr 1999 schwache Wahlergebnisse. Bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Ländern Brandenburg, Thüringen und Sachsen erlitt die SPD kräftige Verluste und verlor in Brandenburg die absolute Mehrheit. In Berlin blieb sie trotz Verlusten Juniorpartner in einer Großen Koalition. Im Saarland wurde sie von der CDU geschlagen, die danach die Regierung übernahm. Nur in Hessen gewann die SPD hinzu, aber die stärkeren Verluste der Grünen bedeuteten das Ende der rot-grünen Koalition. Auch bei der Europawahl am 13. Juni 1999 erlitten die Koalitionsparteien Verluste. Im Zuge der CDU-Spendenaffäre konsolidierten sich später die Umfragewerte von SPD und Grünen.
Innenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schon bald nach dem Beginn der Legislaturperiode erwies es sich als Problem, dass Schröder und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine unterschiedliche Ansichten zu substanziellen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen hatten. Die gegensätzlichen Auffassungen gipfelten in einem Machtkampf, auf dessen Höhepunkt Lafontaine bereits im März 1999 von allen seinen politischen Ämtern zurücktrat (Finanzminister, Parteivorsitzender, Bundestagsabgeordneter). Daraufhin wurde Schröder Bundesvorsitzender der SPD (Wiederwahl in den Jahren 1999, 2001 und 2003); Finanzminister wurde Hans Eichel, der als Ministerpräsident bei der Landtagswahl in Hessen 1999 die Regierungsmehrheit für seine Koalition verfehlt hatte.
In der Innenpolitik setzte die rot-grüne Koalition Teile des Wahlprogramms „Innovation und Gerechtigkeit“ um. Im August 2001 wurde erstmals die Möglichkeit zu legalen eingetragenen Lebenspartnerschaften eingeführt. Das Staatsbürgerschaftsrecht wurde modernisiert, indem man das Geburtsortprinzip zugrunde legte. Das Green-Card-Programm sollte von 2000 bis 2004 zur Gewinnung von IT-Fachkräften aus dem Ausland beitragen; ab 2005 wurde dieser Gedanke erweitert und mit dem Zuwanderungsgesetz das Ausländerrecht neu geordnet.
Die Bundesregierung brachte erstmals ökologische Gesichtspunkte in das Steuerrecht ein, unter anderem durch die Einführung einer Stromsteuer. Weitere Elemente der Steuerreform 2000 in Deutschland waren die Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen und die Reduzierung des Eingangs- und des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer sowie eine Erhöhung des Grundfreibetrags.
Die Regierung stand vor dem Langzeitproblem, die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfähig zu gestalten. Nachdem sie noch 1999 einen von der Vorgängerregierung eingeführten Demografischen Faktor wieder abgeschafft hatte, führte sie einen rentenanstiegsbremsenden Altersvorsorgeausgleich in die Rentenformel ein. Die Opposition nutzte den Bruch des Wahlversprechens von 1998, die Renten weiterhin ungeschmälert an die Entwicklung der Nettolöhne zu koppeln, 1999 für eine bundesweite Plakatkampagne, bei der ein unten abgeschnittenes Konterfei Schröders mit der Aufschrift „Lügen haben kurze Beine“ gezeigt wurde.[52] Mit der Riester-Rente, einer nach dem Arbeitsminister Walter Riester benannten kapitalgedeckten Altersversorgung, sollte die entstehende Versorgungslücke geschlossen werden. Eine Neuordnung des Systems der betrieblichen Altersvorsorge, die ihre Wirksamkeit rückwirkend für schon existierende Direktversicherungsverträge entfaltet, führte für die Betroffenen zu einer nicht erwarteten Schmälerung ihrer Ansprüche, wogegen sich ein dauerhafter Protest erhob.[53]
Unter der Regierung Schröder begann im Jahre 2000 mit dem sogenannten Atomkonsens und einer Änderung des Atomgesetzes der Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie. Weitere Reformen betrafen den Bildungsbereich (u. a. Dienstrechtsreform für Hochschullehrer). Differenzen zwischen den Koalitionspartnern gab es bei den Themen Asylbewerber, Waffenexporte und Kosovokrieg.
Das Ziel der Haushaltskonsolidierung erreichte Schröders Bundesregierung nicht. Die Gesamtverschuldung deutscher öffentlicher Haushalte stieg in der Zeit von 1998 bis 2005 von 1.165 Milliarden auf 1.490 Milliarden Euro.[54] Das entsprach einem durchschnittlichen nominellen jährlichen Zuwachs von 3,6 Prozent.
Außenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nachdem NATO-Jets im Jahr 1999 irrtümlich die chinesische Botschaft in Belgrad bombardiert hatten, war Schröder der erste westliche Politiker, der in die Volksrepublik China nach Peking reiste und sich für den Vorfall entschuldigte. Er besuchte China häufiger als jedes andere europäische Staatsoberhaupt vor ihm.[55]
Schröder und George W. Bush am 9. Oktober 2001
Putin und Schröder in Moskau am 2. November 2001
Die Terroranschläge am 11. September 2001 veränderten den Charakter der transatlantischen Beziehungen.[56] Am folgenden Tag sagte Schröder, er habe dem US-Präsidenten die „uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands zugesichert.[57] Kritiker äußerten, dies sei entweder reine Rhetorik oder zu weitgehend. Befürworter äußerten, Schröder habe die gemeinsame internationale Betroffenheit in den Vordergrund gestellt und die Gefühlslage vieler Deutscher zum Ausdruck gebracht. Deutschland beteiligte sich unter Schröder am sogenannten „Kampf gegen den Terror“.
Am 4. Oktober 2001 wurde – erstmals in der Geschichte der NATO – der Bündnisfall beschlossen.
Am 16. November und 22. Dezember 2001 beschloss der deutsche Bundestag die Beteiligung von Spezialstreitkräften an militärischen Operationen in Afghanistan und an der Luftraumüberwachung durch die AWACS-Systeme.[56] Den Einsatz der Bundeswehr gegen die Taliban in Afghanistan und der Marine am Horn von Afrika lehnten Teile der beiden Regierungsfraktionen im Bundestag aber ab. Schröder wählte, obwohl er der Zustimmung der Opposition sicher sein konnte, den Weg der Vertrauensfrage – zum vierten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland –, um eine eigene Mehrheit für eine Teilnahme der Bundeswehr bei der internationalen Operation Enduring Freedom zu erhalten.
Im Jahre 2001 begann auf dem Petersberg bei Bonn der sogenannte Petersberg-Prozess zur Befriedung Afghanistans und zur Förderung seines Wiederaufbaus. Zwei weitere Zusammenkünfte in der folgenden Konferenzserie fanden 2002 wieder auf dem Petersberg und 2004 in Berlin statt.
Zu Beginn der Irakkrise erklärte Schröder im März 2002, Deutschland werde nicht am Irakkrieg teilnehmen ohne UNO-Mandat.[58] Im Sommer 2002 verkündete er während des Bundestagswahlkampfs den „Deutschen Weg“ als Alternative zur „amerikanischen Kriegstreiberei“ im Irak und stellte Deutschland als Friedensmacht dar.[59] Dabei sei er von einer „Welle der Zustimmung“ getragen worden, die ihm nach Meinung des Politikwissenschaftlers Christian Hacke die Wiederwahl als Bundeskanzler sicherte.[56]
Von Januar bis Juni 1999 hatte Schröder turnusmäßig den Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne.
Bundesregierung Schröder II 2002–2005[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Kabinett Schröder II
Gerhard Schröder bei einer Wahlkampfveranstaltung in München 2002
Im Bundestagswahlkampf 2002 lag die rot-grüne Koalition lange Zeit in allen Umfragen deutlich hinter der Opposition. Dennoch errangen SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 22. September 2002 erneut eine knappe Mandatsmehrheit, mit der die Regierungskoalition unter Schröder fortgesetzt werden konnte. Manche Beobachter führten dies auf das gute und medienwirksame Krisenmanagement Schröders bei der Flutkatastrophe, die im Spätsommer 2002 kurz vor der Bundestagswahl Ostdeutschland an der Elbe und ihren Nebenflüssen heimgesucht hatte, und auf die Ablehnung einer Teilnahme an dem von den Vereinigten Staaten geplanten Irakkrieg durch die deutsche Bundesregierung.
Von 2002 bis 2005 wurde Schröder vom US-amerikanischen Geheimdienst NSA abgehört; dies ergaben Ergebnisse der Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre im Februar 2014.[60]
Nachdem die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 nach 39 Jahren die Regierungsführung an die CDU verloren hatten, sah Schröder die Grundlage für seine Politik in Frage gestellt. Im Bundestag stellte er am 1. Juli 2005 die Vertrauensfrage, die mit 151 Ja-, 296 Nein-Stimmen und 148 Enthaltungen beantwortet wurde. Damit war die notwendige Kanzlermehrheit nicht erreicht. Dass der Kanzler – ähnlich wie Willy Brandt bei der Vertrauensabstimmung 1972 und Helmut Kohl bei der Vertrauensabstimmung 1982 – die Absicht hatte, in der Abstimmung zu unterliegen, wurde kritisch diskutiert.
Schröder beantragte anschließend die Auflösung des Bundestags, der Bundespräsident Horst Köhler am 21. Juli zustimmte. Der Bundespräsident setzte vorgezogene Neuwahlen für den 18. September 2005 an. Am 25. August 2005 wies das Bundesverfassungsgericht die Klagen zweier Bundestagsabgeordneter gegen die vorzeitige Auflösung des Bundestags und die Anberaumung von Neuwahlen zurück.
Bei der Bundestagswahl 2005 erreichte die SPD mit starken Verlusten nurmehr 34,2 % der Stimmen (222 von 614 Sitzen), womit sie knapp hinter CDU und CSU lag, die allerdings ebenfalls deutlich verloren. Für eine rot-grüne Koalition reichten die Stimmen der Regierungsparteien nicht, aber auch CDU/CSU und FDP konnten keine Regierung bilden.
Schröder blieb auf Ersuchen des Bundespräsidenten nach der konstituierenden Sitzung des neuen Deutschen Bundestages am 18. Oktober 2005 im Amt, bis Angela Merkel am 22. November 2005 zu seiner Nachfolgerin gewählt wurde. Das Bundestagsmandat legte er am 24. November 2005 nieder und erklärte seinen Rückzug aus der Politik. Damit war Schröder der erste Bundeskanzler, der direkt nach der Beendigung seines Amtes aus dem Bundestag ausschied. Schröders Agenda 2010 wurde durch Angela Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung vom 29. November 2005 gelobt.
Innenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach der Wiederwahl zum Bundeskanzler am 22. Oktober 2002 stieß Schröder erneut konfliktreiche Reformvorhaben an, beispielsweise zur Gesundheitsreform. Schröder diskutierte Anfang 2003 mit Vertretern der Großbanken Möglichkeiten zur Gründung einer deutschen Bad Bank zur Auslagerung von belastenden Beteiligungen und Kreditforderungen.[61] Die Arbeitslosenzahlen waren für die Jahre 2000 und 2001 erstmals seit vier Jahren unter den Wert von 3,95 Millionen gesunken, doch stiegen sie seither wieder an.[62]
Mit der Agenda 2010 präsentierte Schröder am 14. März 2003 das größte und wichtigste Projekt seiner Kanzlerschaft. Kernstück dieser Reform war das Hartz-Konzept, das die Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ unter dem Vorsitz des VW-Managers Peter Hartz seit dem 22. Februar 2002 entwickelt hatte. Befürworter betrachteten die Agenda 2010 als Schritt in die richtige Richtung und lobten Schröders Mut zu unpopulären Maßnahmen. Kritiker – nicht nur aus der Opposition, sondern auch von den Gewerkschaften und vom linken Flügel der SPD – beklagten einen massiven Sozialabbau. Bei Abstimmungen im Bundestag blieb diese Kritik aus den eigenen Reihen zwar deutlich in der Minderheit, dennoch geriet Schröder im Zuge der Agenda-Umsetzung mehr und mehr unter Druck. Den Zusammenhalt der Koalition musste er mehrmals durch offene oder versteckte Rücktrittsdrohungen und durch Förderung von parteiinternen Unterstützern sichern. Der Abbau des Sozialstaats durch die Agenda 2010 und Schröders „Kommandostil“ (Max Reinhardt) trugen dazu bei, dass das traditionelle Bündnis zwischen SPD und Gewerkschaften brüchig wurde. Zahlreiche, insbesondere gewerkschaftsorientierte Wähler blieben bei den nächsten Wahlen zu Hause oder stimmten für die neugegründete WASG bzw. nach deren Zusammenschluss mit der PDS für Die Linke.[63]
Die Gestaltungsfreiheit der Regierung Schröder war durch eine immer größere Stimmenmehrheit von CDU und FDP im Bundesrat eingeschränkt. Wiederholt konnte Schröder durch Zugeständnisse erreichen, dass einzelne Länder, an deren Regierung die CDU beteiligt war, seine Regierungspolitik im Bundesrat unterstützten. Die Regierungskoalition verlor außerdem die Mehrheit in der Bundesversammlung.
Außenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Obwohl die Bundesregierung eine Teilnahme am Irakkrieg als Verbündeter der USA verweigerte, gestattete sie unter Kanzler Schröder die Nutzung der in Deutschland gelegenen militärischen Infrastruktur der US-Streitkräfte zu diesem Zweck. Die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an AWACS-Flügen in der Türkei zur Zeit des Irakkriegs, ohne dass vorher die Zustimmung des Bundestages eingeholt wurde, wurde 2008 vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig gerügt.[64]
Schröder befürwortete wie auch andere EU-Regierungschefs die Aufhebung eines EU-Waffenembargos gegen China, das 1989 nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung verhängt worden war, konnte sich mit dieser Auffassung aber nicht durchsetzen.[65]
Aktivitäten als Berater und im Ehrenamt nach der politischen Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gerhard Schröder (2009)
Am 24. November 2005 gab Schröder sein bei der Bundestagswahl 2005 erlangtes Bundestagsmandat zurück.[66] Schröder übte zahlreiche weitere Tätigkeiten aus und war auch wieder als Rechtsanwalt tätig. Im Juli 2012, 14 Monate vor der Bundestagswahl 2013, schloss er ein politisches Comeback aus.[67]
Der kritischen Sicht auf Schröders Lobbyismus liegt die Auffassung zugrunde, dass Schröder teilweise im Sinne einer zwar legalen, aber mit seiner bisherigen politischen Aufgabe unvereinbaren und das Vertrauen in die Demokratie schädigenden Weise einseitige Geschäftsinteressen zum eigenen Vorteil verfolgt,[68][69] dass er seine politische Karriere als Drehtür benutzt hat und dabei seine politischen Prinzipien relativiert hat.[70][71][72] Auch während seiner politischen Zeit in Landes- und Bundespolitik war ihm häufig eine zu groß erscheinende Nähe zu Wirtschaftsführern vorgeworfen worden; er war als „Genosse der Bosse“ und „Autokanzler“ tituliert worden.[73] Ein fragwürdiger Vorrang der Wirtschaft vor politischen Zielen wurde in seiner Haltung gegenüber den Autokratien der Golfstaaten gesehen.[74][75]
Die Vorwürfe wurden von Schröder bisher immer zurückgewiesen, teilweise auch anwaltlich oder gerichtlich verfolgt. Einige erwiesen sich als haltlos.
Der Spiegel interpretierte 2010 Schröders wirtschaftliche Aktivitäten als Rivalitätsverhalten zu Joschka Fischer, der für das Konkurrenzprojekt „Nabucco-Pipeline“ beratend tätig war.[71] Nach dem Urteil des Schröder-Biographen Gregor Schöllgen hat nichts dem Ansehen Schröders so sehr geschadet wie seine „Gazpromisierung“ (Kurt Kister), die einen jähen Absturz in der Gunst der öffentlichen Meinung bewirkt habe.[76]
Tätigkeit für russische Energiekonzerne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nord Stream[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach Schröders eigenen Angaben wurde er erstmals im November 2005 konkret mit der Frage konfrontiert, für die Nord Stream AG tätig zu werden, die zu 51 Prozent der russischen Gazprom gehört. Er habe zunächst abgelehnt, weil er sich nicht langfristig binden wollte, und damit Wladimir Putin irritiert. Schröder hätte Putin nicht im Stich lassen wollen, als dieser ihn aufgrund der „europäischen Bedeutung des Projekts“ überzeugt habe, den Aufsichtsratsvorsitz bei der Nord Stream AG zu übernehmen.[77] Schröder solle die Interessen der Aktionäre vertreten.[78] Nachdem der Gazprom-Vorstandsvorsitzende und enge Putin-Vertraute Alexej Miller am 9. Dezember 2005 die Vereinbarung mit Schröder bekannt gegeben hatte, sei Putin damit sofort an die Öffentlichkeit gegangen, weil es für ihn ein Erfolg war, einen deutschen Ex-Bundeskanzler für das bei Polen und Balten umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream gewonnen zu haben.[79][78][80] Damit war er unmittelbar in das Nord-Stream-Projekt involviert, das er bereits als Regierungschef immer sehr wohlwollend begleitet und am 8. September 2005 mit Putin besiegelt hatte.[81][82] Sein Gehalt als Vorsitzender des Aktionärsausschusses bei Nord Stream soll laut Manager Magazin 250.000 Euro im Jahr betragen.[83]
Deutsche Politiker aller Parteien und auch russische Oppositionelle kritisierten Schröders neue Beschäftigung.[81][84] Politiker der Grünen bezeichneten den „dreisten Seitenwechsel“ als „politische Eselei“ und als „unanständig“; Schröder ruiniere sich damit den Ruf.[71] Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) mahnte, indirekt Schröder meinend, mehr Fingerspitzengefühl an, sah aber das Pipeline-Projekt als wichtigen Beitrag für die künftige Versorgungssicherheit Deutschlands und Westeuropas.[85] Frank-Walter Steinmeier (SPD) verteidigte dagegen Schröders Übernahme der seiner Meinung nach für Deutschland nützlichen Position.
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft begrüßte zwar Schröders neuen Job, kritisierte aber die Art und Weise der Bekanntgabe sowie den Zeitpunkt des Wechsels kurz nach dem Ende der Schröder-Regierung.[86]
Schröder äußerte, die öffentliche Debatte über seinen Wechsel zur Nord Stream AG habe seine düsteren Visionen übertroffen. Für die deutsche Öffentlichkeit sollte es eigentlich mittlerweile ein „ebenso normaler Vorgang“ sein, für ein deutsch-russisches Projekt zu wirken wie für ein deutsch-französisches oder deutsch-amerikanisches.[77] Die Kritik an seiner Tätigkeit sei „kleinkariert“; sie sei mit seiner früheren Anwaltstätigkeit vergleichbar und völlig transparent.[87] Schröder wies 2006 die Kritik an seiner Regierungstätigkeit zurück: „Spekulationen über eine angeblich interessengeleitete Unterstützung des Pipeline-Projekts während meiner Regierungszeit sind in der Sache falsch und ehrenrührig. Meine Unterstützung der Ostsee-Pipeline hatte ausschließlich mit Interessen Deutschlands und Europas zu tun. Deshalb hatte ich dieses Projekt schon unterstützt, als ich noch Kanzler war. Der Energiehunger in Europa ist nicht zu stillen ohne den Rohstoffreichtum Russlands. Das ist eine Binsenweisheit, aber deshalb nicht weniger wahr.“[88]
Schröder wehrte sich gegen die Behauptung von Guido Westerwelle (FDP), er habe Gazprom den Auftrag zum Bau der Ostseepipeline erteilt, mit einer erfolgreichen Unterlassungsklage.[89][90]
Gazprom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 31. März 2006 wurde bekannt, dass die Regierung Schröder nach ihrer Wahlniederlage, aber noch vor dem Ende ihrer Amtszeit, eine staatliche Bürgschaft für einen Kredit der deutschen Banken KfW und Deutsche Bank in Höhe von einer Milliarde Euro für Gazprom übernehmen wollte.[91] Dabei handelte es sich um eine Bürgschaft für einen sogenannten „ungebundenen Kredit“, der von deutschen Banken an ausländische Unternehmen vergeben wird, um dadurch „nationale Interessen“ zu sichern.[72] Die damalige Bundesregierung war der Auffassung, dass die langfristige Sicherstellung der Energieversorgung Deutschlands ein nationales Interesse darstellt.[92] In der Presse wurde kritisiert, dass dieser Vorgang innerhalb kurzer Zeit in den letzten Monaten der Regierung Schröder stattfand. Auch habe der deutsche Staat ungewöhnlich hohe Garantien auf sich genommen, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit von Gazprom hätte er nach Recherchen des Spiegel bis zu einer Milliarde Euro tragen müssen.[93]
Die FDP erhob 2006 den Vorwurf eventueller Interessenkonflikte, da der deutsche Staat auf diese Weise Schröders spätere Tätigkeit bei Gazprom mitfinanziere. Schröder selbst bestritt, Kenntnis von der Bürgschaft gehabt zu haben.[93][94] Nach Angaben aus Regierungskreisen haben zwar der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, Schröders Wirtschaftsberater im Kanzleramt Bernd Pfaffenbach und Staatssekretär im Finanzministerium Caio Koch-Weser von den Verhandlungen gewusst und die Bürgschaft genehmigt, der Kanzler selbst wurde aber „bewusst“ nicht informiert.[93]
Am 18. April 2006 lehnte Gazprom den Kredit ab, wodurch die Bürgschaft hinfällig wurde.[92] Die Ablehnung erklärte Lilija Schewzowa damit, dass Gazprom gerade zu dem Zeitpunkt einen Skandal verhindern und Schröders Ruf nicht riskieren wollte; Gazprom und die russische Führung hätten „ihn für den wichtigsten Lobbyisten von Gasprom in Europa und in der Welt“ gehalten.[95]
Am 4. März 2014 trafen sich Schröder, Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, und Alexander Rahr, Lobbyist für den Gasproduzenten Wintershall, von der Gazprom große Teile deutscher Gasspeicher kaufen wollte (und später auch tatsächlich kaufte), in der russischen Botschaft in Berlin.
Nach Dokumenten aus dem Wirtschaftsministerium, deren Herausgabe der Tagesspiegel nach dem Informationsfreiheitsgesetz beantragt hatte, organisierte Schröder 2017 ein Treffen zwischen Gazprom-Chef Alexej Miller und der deutschen Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Schröder kontaktierte Zypries, um mit ihr über die Pipeline Nord Stream 2 zu sprechen. Zypries war Justizministerin in Schröders zweitem Kabinett. Im Unterschied zu anderen Lobbyisten hatte Schröder wenige Tage nach der ersten Anfrage einen Termin bei der Ministerin bekommen. Zu diesem Gespräch brachte Schröder Alexej Miller mit. Am Morgen nach dem Gespräch verkündete Gazprom, es habe ein „Arbeitstreffen“ von Miller und Zypries in Berlin stattgefunden. Schröders Rolle blieb unerwähnt.[96][97]
Im Februar 2022 wurde bekannt, dass Schröder für einen Posten im Aufsichtsrat von Gazprom nominiert wurde,[98] den er jedoch ablehnte; auf einen Posten in diesem Aufsichtsrat habe er „schon vor längerer Zeit verzichtet“.[99]
Rosneft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 29. September 2017 wurde Schröder auf Vorschlag der russischen Regierung, die die Aktienmehrheit am Energiekonzern Rosneft (damals 50 % plus eine Aktie) hält, zum Chef des Aufsichtsrats gewählt. In Deutschland wurde Schröders Aktivität von zahlreichen Politikern und von anderen bekannten Persönlichkeiten kritisiert.[100][101]
In seiner neuen Position sollte Schröder angeblich Kontrolle über Konzernchef Igor Setschin ausüben. Dass dies tatsächlich möglich gewesen wäre, wurde als unwahrscheinlich betrachtet: Setschin galt als mächtig und dank unbedingter Loyalität als enger Vertrauter Wladimir Putins.[102] Nach Berichten der Zeitung Kommersant erhielt Schröder eine jährliche Vergütung von 600.000 Euro für seine Tätigkeit.[103]
Schröder setzte sich für den Bau der South-Stream-Pipeline aus Russland ein, während er die konkurrierende Nabucco-Pipeline aus Zentralasien, die Deutschland unabhängiger von Russland machen sollte, ablehnte.[71][104]
Am 20. Mai 2022 teilte Rosneft mit, dass Schröder seinen Posten aufgibt. Einen Tag zuvor hatte das Europaparlament darauf gedrängt, Schröder auf die Sanktionsliste gegen russische Oligarchen zu nehmen, wenn er trotz des Ukraine-Kriegs an seinen Posten in russischen Unternehmen festhalte.[105]
Petersburger Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zusammen mit Wladimir Putin rief Schröder 2001 den Petersburger Dialog ins Leben, der seitdem als Plattform für Treffen zwischen Vertretern russischer und deutscher Wirtschaftsinteressen sowie deutschen Politikern dient. Laut Stefan Meister vom European Council on Foreign Relations ermöglicht dieses Netzwerk Lobbyismus.[106]
Weitere außenpolitische Tätigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kasachstan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Juni 2005 berichtete der Spiegel, dass Schröder für ein Jahreshonorar von 300.000 Euro die Mitgliedschaft in einem Beraterkreis angetragen wurde, in dem ehemalige führende europäische Politiker für die kasachische Regierung tätig werden sollten. Schröder gab zu, zweimal „special guest“ des internationalen Beraterkreises gewesen zu sein.[107][108] Die Angebote, für Kasachstan tätig zu werden, habe er „aus grundsätzlichen Erwägungen“ abgelehnt.[109]
Iranreisen 2009 und 2016[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schröder im Jahr 2015
In seiner Funktion als Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins reiste Gerhard Schröder auf Einladung eines Neurochirurgen in den Iran und traf dort u. a. mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad,[110] Parlamentspräsident Ali Laridschani und Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei zusammen. Die Reise und die Gespräche mit dem iranischen Präsidenten stießen teilweise auf scharfe Kritik, auch in den Reihen der SPD und des Zentralrats der Juden in Deutschland.[111][112][113] Von Außenpolitikexperten wurde der Besuch jedoch überwiegend als sehr positiv bewertet, da er neue Bewegung in den festgefahrenen Streit um das Atomprogramm gebracht habe. Schröder soll außerdem die vermeldete Holocaustleugnung Ahmadinedschads „zurückgewiesen“ haben.[114] Auch die Bundesregierung verteidigte den Besuch Schröders.[115]
Im Januar 2016 reiste Schröder erneut in gleicher Funktion an der Spitze einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation in den Iran. Er traf dort mit dem amtierenden Präsidenten Rohani zusammen, außerdem mit dem Schlichtungsratsvorsitzenden und früheren Präsidenten Rafsandschani, dem Chef des Sicherheitsrats Schamchani und dem Außenminister des Iran, Mohammad Javad Zarif.[116]
Tätigkeiten als geschäftlicher Berater, Redner, Ombudsmann und Publizist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schröder im Jahr 2016
Berater für den Schweizer Ringier-Verlag und dessen Verwaltungsratspräsidenten Michael Ringier (von 2005 bis Februar 2022)[117][118][119]
Berater der Rothschild Bank (2006 bis September 2016)[123][124]
Berater der Gröner Group von Christoph Gröner (Juni 2021 – Februar 2022) – Beendigung seitens der Gröner Group wegen der russischen Invasion in die Ukraine[125]
Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats des Pipeline-Konsortiums Nord Stream AG (seit 30. März 2006, damals unter dem Namen NEGP Company), einer Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom, womit er jährlich 250.000 Euro verdient[126]
Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums des russisch-britischen Ölkonzerns TNK-BP[127] das in Streitsituationen unter den Anteilseignern schlichten soll (Rücktritt als Aufsichtsrat am 9. Dezember 2011).[128]
Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Herrenknecht AG bis Februar 2022[129][122]
Aufsichtsratsvorsitzender der Betreibergesellschaft des Fußballvereins Hannover 96 von Dezember 2016 bis Juni 2019.[130]
Schlichter zwischen Transnet und Deutsche Bahn 2006[76]
Ombudsmann bei der Continental AG 2008 gegen die Übernahme durch Schaeffler.[76]
Lobbyist des Interessenverbandes BVUK (Betriebliche Versorgungswerke für Unternehmen und Kommunen e.V.)[131]
Schröder vertrat die Bundesrepublik Deutschland bei der Trauerfeier für den verstorbenen kubanischen Diktator Fidel Castro im Dezember 2016.[132]
Agenturen vermitteln (Stand 2013) Schröder als Redner, zu Preisen zwischen 50.000 und 75.000 Euro.[133] Schröder äußerte sich in Gastbeiträgen und Interviews in deutschen Zeitungen zu Europa.[134] Von Mai 2020 bis Februar 2022 hatte er einen von Gabor Steingarts Firma Media Pioneer produzierten Podcast, in dem der ehemalige Regierungssprecher Béla Anda ihm Fragen stellte.[135] Anda gab am 2. März 2022 bekannt, den Podcast wegen der vielfach kritisierten Position Schröders zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine sofort einzustellen.[136]
Gesellschaftliches Engagement, Ehrenämter, Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schröder spricht bei der Vernissage einer Ausstellung seines Freundes Jörg Immendorff. München, 2018
Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) (seit 1973)
Schirmherr der Fußball-Weltmeisterschaft der Menschen mit geistiger Behinderung vom 26. August bis zum 17. September 2006 in Deutschland[137]
Schirmherr des Vereins Gesicht Zeigen!, der sich gegen Rechtsextremismus einsetzt, als Nachfolger von Johannes Rau
Mitglied des Kuratoriums der DFL Stiftung (ehemals Bundesliga-Stiftung).[140]
Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins[141] bis Ende 2021[3]
Schirmherr von Projet Aladdin der Fondation pour la Mémoire de la Shoah
Schirmherr der Initiative Hilfe für ALS-kranke Menschen
Mitglied des InterAction Councils
Mitglied des 21st Century Councils
Mitglied des Berggruen Institute on Governance
Politische Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Außenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Während zu Beginn seiner Amtszeit das Verhältnis Schröders zum französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac als unterkühlt galt,[142] wobei es auf dem EU-Gipfel von Nizza zu einem Zusammenstoß zwischen ihnen kam,[143] verbesserten sich die Kontakte im Laufe der Zeit.[144] So ließ sich Schröder beim EU-Gipfel in Brüssel am 20. November 2003 durch Chirac vertreten, um bei Abstimmungen über seine Reformvorhaben im Bundestag anwesend sein zu können – eine bis dahin einmalige Geste.
In ihrer Europapolitik strebte die Regierung Schröder eine europäische Föderation an, die Vorschläge scheiterten jedoch am Widerstand Frankreichs. Seit Beginn seiner Regierungszeit forderte Schröder einen gemeinsamen europäischen Sitz im Sicherheitsrat der UNO, was abgelehnt wurde. Das Drängen Schröders habe weltweit zu Gegenkoalitionen geführt. Unklar sei auch, welche Politik die Regierung Schröder in der UNO anstrebte. Hat Deutschland in der Vergangenheit eine ausgleichende Politik betrieben, so nütze nach Hacke eine einseitig Amerika-kritische Haltung weder deutschen noch internationalen Interessen.[56]
Schröder engagierte sich außerdem für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union.[56] Er sah die Möglichkeit, die Türkei könne Brückenfunktionen zwischen Orient und Okzident wahrnehmen.[145] Kritiker sahen in der diskutierten Aufnahme der Türkei eine Überdehnung der Europäischen Union. Am 12. Oktober 2005, wenige Tage nach Beginn der Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union und vier Wochen nach der verlorenen Bundestagswahl 2005 beging Schröder als erster Regierungschef eines westlichen Landes gemeinsam mit dem türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan das abendliche Fastenbrechen im Ramadan.
Die Beziehung zu Russland war durch ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Schröder und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gekennzeichnet, den er als seinen privaten Freund bezeichnete,[146][147][148] zu dem er ein Grundvertrauen habe.[149][150][151] Schröder rief eine „strategische Partnerschaft“ zwischen den beiden Ländern ins Leben, worunter er in erster Linie eine Interessengemeinschaft verstand.[152] In Russland wurde die strategische Partnerschaft als eine wirtschaftliche, jedoch nicht gesellschaftliche Kooperation gesehen.[151]
Schon nach dem Antrittsbesuch Putins habe nach Hans-Joachim Spanger eine Neigung des Kanzlers bestanden, „demonstratives Verständnis“ für die allmähliche Verschärfung des innenpolitischen Kurses Russlands zu zeigen.[153] Nach Hackes Einschätzung war die Außenpolitik Schröders anscheinend von Blindheit gegenüber autoritären Entwicklungen in Moskau und Peking gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund sei die „Männerfreundschaft“ zwischen Schröder und Putin, der Glasnost und Perestroika rückgängig mache und russische Weltmachtansprüche verfolge, zu verstehen. Entwicklungen in China wie beispielsweise antijapanische Ausschreitungen oder nationalistische Strömungen in Peking habe die Regierung Schröder ebenfalls ignoriert. Dieser Wandel hin zu Partnerschaften mit kommunistischen und postkommunistischen Eliten habe dem damaligen Amerika-kritischen Zeitgeist entsprochen und insbesondere in Ostdeutschland historisch verwurzelte Gefühle der Verbundenheit geweckt.[56]
In wirtschaftlicher Hinsicht war die Bundesregierung gegenüber Russland entgegenkommend. Zum Beispiel erließ Schröder einen Großteil der 6,4 Mrd. Euro Transferrubel-Schulden, sodass Russland 500 Mio. Euro anstelle der vollen Summe zu zahlen brauchte.[151][154] Auch bei der Emission von Anleihen, die an Forderungen gegen Russland gebunden sind, und bei der vorzeitigen Schuldentilgung durch Russland verzichtete die Bundesregierung auf große Beträge. Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs sei dem Bund dadurch ein Schaden von 1,2 Mrd. Euro entstanden.[151][155]
Krim-Annexion und Ukraine-Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schröder (2014)
Im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg trat Schröder im Jahr 2014 als Kritiker der EU-Politik gegenüber Russland auf und plädierte dafür, der Westen solle Verständnis für Putins Sichtweise aufbringen.[106] Schröder lehnte die vom Linken-Fraktionschef Gregor Gysi vorgeschlagene Rolle als Vermittler im russisch-ukrainischen Konflikt ab, weil eine Einzelperson dies nicht leisten könne.[76] Die Europäische Union habe sich wegen ihrer Parteinahme für die Opposition als Vermittler diskreditiert. „Die einseitige Unterstützung der Europäer für die Opposition mache es unmöglich, dass die EU in dem Konflikt noch vermitteln könne. Die EU habe den Fehler gemacht, sich auf eine Seite zu schlagen, sie sei nun selbst Partei.“[156] Deshalb empfahl er die Vereinten Nationen. Schröder sagte, die Ukraine sei ein „kulturell gespaltenes“ Land.[157]
Wegen dieser und anderer Kommentare zum russisch-ukrainischen Konflikt, in denen er die Sanktionspolitik kritisierte und dem Krisenmanagement der EU schwere Fehler und ein Unverständnis für die Region unterstellte, reichten Grüne und Konservative im EU-Parlament am 13. März 2014 auf Initiative der Grüne/EFA-Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit einen Entschließungsantrag ein, dem zufolge die Resolution zur Krimkrise eine Klausel enthalten möge, nach der Schröder „keine öffentlichen Aussagen zu Themen machen sollte, die Russland betreffen“, da er wegen seiner Beziehungen zu Gazprom in einem Interessenkonflikt stehe. Diesen Antrag lehnten 208 der Parlamentarier ab, 167 stimmten dafür.[157][158] Die Zielrichtung des Antrags wurde öffentlich als „Maulkorb“ wahrgenommen und auch von einigen Grünen-Politikern kritisiert.[159]
Am 5. Dezember 2014 unterstützte Schröder einen Aufruf, der unter dem Titel Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen! von 60 prominenten Persönlichkeiten unterzeichnet war. In ihm wurde die „völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin“ kritisiert, gleichzeitig aber vor einer „unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung“ gewarnt, Dialogbereitschaft angemahnt und zu einer vorurteilsfreien Berichterstattung aufgerufen. Die FAZ kommentierte diese außenpolitische Position Schröders ironisch als: „Schröders Gedächtnisschwund“, da er 1999 und 2004 die Erweiterung der EU und der NATO befürwortet und noch beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008 gegen Angela Merkel für die Aufnahme Georgiens in die NATO eingetreten war.[160]
Auf einer vom Ministerium für innere Angelegenheiten der Ukraine initiierten Fahndungsliste namens Myrotvorets wird Gerhard Schröder aufgrund seiner Haltung zur Krim-Annexion als „Feind der Ukraine“ geführt.[161][162]
Russischer Überfall auf die Ukraine

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